Justizreform in Israel

Zerreißprobe mitten im Krieg

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Man hatte es fast vergessen: Israel, das sich seit Wochen in großer Einheit gegen den Hamas-Terror wehrt, ist ein politisch tief gespaltenes Land. Die Justizreform, mit der sich die weit nach rechts gerutschte Netanjahu-Regierung weitgehend gerichtlicher Kontrolle entziehen wollte, trieb monatelang Hunderttausende auf die Straßen. Dass das Oberste Gericht nun zentrale Teile des Vorhabens gestoppt hat, ist ein Segen und Beleg für die Widerstandsfähigkeit der israelischen Demokratie. Der Richterspruch stellt das Land aber auch vor eine Zerreißprobe – und das mitten im Krieg.

Ob es sie besteht oder ob nun eine Staatskrise droht, wie manche Beobachter meinen, hängt ganz und gar von Netanjahu und seiner Regierung ab. Im besten Fall akzeptiert sie das Urteil und kippt die illiberale Reform, die sie so brachial gegen jeden Widerstand durchsetzen wollte. Im schlechtesten Fall folgt sie der eigenen Ankündigung und ignoriert den Richterspruch. Das ist nicht ausgeschlossen, wäre aber gerade zum jetzigen Zeitpunkt ein Wahnsinn. Eine harte innenpolitische Konfrontation würde jene Einheit gefährden, die das Land dieser Tage braucht. Der stark angeschlagene Netanjahu hat nun die einmalige Chance, die eigenen Abwege zu verlassen. Er muss jene Verantwortung zeigen, die er seinem Land allzu lange schuldig blieb.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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