Fast 100 Tote nach Explosion im Iran

von Redaktion

VON ARNE BÄNSCH

Teheran – Am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani sind in dessen Heimatstadt Kerman bei zwei Explosionen 95 Menschen getötet worden. Rund 210 weitere Menschen seien verletzt worden, berichteten Staatsmedien. Irans Regierung sprach von einer Terrorattacke. Es war der tödlichste Anschlag in der 45-jährigen Geschichte der Islamischen Republik. Die Regierung ordnete für Donnerstag Staatstrauer an.

Der Hintergrund für die Explosionen war unklar. Zunächst reklamierte keine Gruppe den mutmaßlichen Anschlag für sich. Terrorangriffe mit diesem Ausmaß sind im Iran äußerst selten. Der Zustand vieler Verletzter war laut Berichten kritisch. Die Sorge war groß, dass die Zahl der Opfer noch weiter steigen könnte.

Irans Innenminister Ahmad Wahidi kündigte eine entschiedene Reaktion an. „Unsere Polizeikräfte sind wachsam und werden diejenigen, die dieses Verbrechen begangen haben, zur Rechenschaft ziehen“, sagte der Minister. Wahidi sagte, die meisten Menschen seien bei der zweiten Explosion ums Leben gekommen. Die EU verurteilte den Anschlag am Abend.

Kerman ist die Heimat von Ghassem Soleimani, dem früheren Kommandeur der Auslandseinheiten der iranischen Revolutionswächter (IRGC). Die USA hatten ihn am 3. Januar 2020 im Irak durch einen Drohnenangriff getötet. Von systemtreuen Regierungsanhängern wird Soleimani als Märtyrer verehrt. Bei seiner Beerdigung kam es damals zu einer Massenpanik mit mehr als 50 Toten. Propagandabilder des Generals prangen auch heute noch an Häuserwänden in der Hauptstadt Teheran.

Kerman liegt in der gleichnamigen iranischen Provinz, umgeben von Wüstengebieten. Am Mittwoch pilgerten Menschenmassen durch die Straßen der Provinzhauptstadt zu Soleimanis Grabstelle. Nur wenige hundert Meter entfernt sollen sich die Explosionen ereignet haben. In einem live im Staatsfernsehen übertragenen Ausschnitt waren ein Knall und Schreie zu hören. In den Videos war zu sehen, wie Panik ausbrach und Menschen vor den Explosionen flüchteten. Bilder von den Anschlagsorten zeigten blutüberströmte Gehwege, beschädigte Fahrzeuge und zerfetzte Kleidungsstücke. Sicherheitskräfte sperrten den Pilgerort ab. Kliniken wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

Der Zeitpunkt des Anschlags ist brisant. Der Anführer der Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, warnte Israel am Abend: „Wenn der Feind denkt, einen Krieg gegen den Libanon zu führen, werden wir ohne Zurückhaltung, ohne Regeln, ohne Grenzen und ohne Einschränkungen kämpfen“, sagte Nasrallah in einer im Fernsehen übertragenen Rede. „Wir haben keine Angst vor Krieg.“

Die Rede erfolgte einen Tag, nachdem der Vizechef der Palästinenserorganisation Hamas in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden war. Saleh al-Aruri, wurde nach Angaben eines hochrangigen libanesischen Sicherheitsbeamten durch ferngeleitete israelische Raketen getötet. Er galt der Regierung in Jerusalem als Drahtzieher hinter zahlreichen Anschlägen im Westjordanland. Außerdem galt er als Kontaktmann zur Hisbollah und zum Regime in Iran.

Das dürfte sich nun vor allem dafür interessieren, wer hinter den Explosionen vom Mittwoch steckt. Hassan Ahmadian, Professor für Nahoststudien in Teheran, sagte dem Sender Al Jazeera, es könnte der IS gewesen sein – oder Israel. Sollte der Iran Jerusalem verantwortlichen machen, würde sich der Konflikt gefährlich zuspitzen.

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