München – Taiwans Militär hat am Mittwoch erneut mehrere chinesische Ballons entdeckt, die den von China beanspruchten Inselstaat teilweise überquerten. Insgesamt vier Ballons hätten die Medianlinie überflogen, die inoffizielle Grenze zwischen der kommunistischen Volksrepublik und dem demokratisch regierten Taiwan, das Peking als abtrünnige Provinz betrachtet. Drei der Ballons seien später in Höhen zwischen 3600 und 6700 Metern über Taiwans Hauptinsel geflogen und schließlich verschwunden, teilte das taiwanische Militär mit. Der vierte Ballon wurde nordwestlich der Insel gesichtet, wie aus einer Karte hervorgeht, die das taiwanische Verteidigungsministerium veröffentlichte.
Bereits am Montag hatte das Militär das Auftauchen von zwei chinesischen Ballons gemeldet; insgesamt habe es seit Anfang Dezember neun Sichtungen chinesischer Ballons gegeben.
„Die Streitkräfte des Landes werden auf nicht identifizierte Ballons, die in den Luftraum Taiwans eindringen, angemessen reagieren – entsprechend der Bedrohung, die sie für die Sicherheit Taiwans darstellen“, erklärte Sun Li-fang, ein Sprecher des taiwanischen Militärs, am Mittwoch. Sun machte zwar keine Angaben dazu, ob die entdeckten Ballons Spionagezwecken dienten. Bei Sichtungen in den vergangenen Wochen war allerdings meist von Wetterballons die Rede, die von Winden, wie sie üblicherweise im Dezember und Januar vorherrschten, in Richtung Taiwan getrieben würden. Aus Gründen der Flugsicherheit würden die Ballons überwacht, so Sun am Mittwoch.
Einen Zusammenhang zwischen den Ballon-Sichtungen und den taiwanischen Präsidentschaftswahlen am 13. Januar wollte das Verteidigungsministerium nicht herstellen. Tatsächlich hat China den militärischen Druck im Vorfeld der Abstimmung bislang nicht erhöht; zwar drangen in den vergangenen Wochen täglich chinesische Kampfjets in Taiwans Luftverteidigungszone ein, allerdings lag die Zahl nicht höher als in den Monaten zuvor.
Dennoch versucht China Experten zufolge, den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, etwa mit Desinformationskampagnen in den Sozialen Medien. Auch bezeichnet China den Kandidaten der Regierungspartei, Taiwans derzeitigen Vizepräsidenten Lai Ching-te, regelmäßig als „Separatisten“. Peking betont: Werde Lai gewählt, würde das die Spannungen in der Taiwanstraße verschärfen. Sollte Lai Taiwan für unabhängig von China erklären, käme dies einer Kriegserklärung gleich. Lai hingegen betont, Taiwan sei ohnehin unabhängig und müsse deswegen seine Unabhängigkeit nicht formell erklären.
Die Ballon-Sichtungen wecken Erinnerungen an einen Vorfall von Anfang 2022, als ein vermeintlicher chinesischer Spionageballon in den amerikanischen Luftraum eindrang. Das US-Militär entdeckte das Flugobjekt und überwachte es mehrere Tage lang, bevor es den Ballon vor der Küste von South Carolina abschoss. China behauptete, es habe sich um einen Wetterballon gehandelt, während die USA von einem Spionageballon sprachen. Der Vorfall führte zu erheblichen diplomatischen Spannungen.
SVEN HAUBERG