München – Carla Hinrichs hat als Sprecherin der Klimagruppe Letzte Generation eine gewisse Bekanntheit erlangt. Deshalb war das Interesse groß, als sie in dieser Woche zum Berufungsprozess vor dem Frankfurter Landgericht erschien. Doch die Berufung der 26-Jährigen wurde verworfen und die ursprüngliche Strafe aus dem vergangenen Jahr wieder ausgesprochen: zwei Monate auf Bewährung. „Sie hat es selbst in der Hand, ob sie noch mal irgendwann ins Gefängnis muss oder nicht“, sagte der Vorsitzende Richter.
Hinrichs Verfahren ist nur eines von vielen. Die Vergehen ähneln sich: Festkleben auf Straßen und Flughäfen, Sachbeschädigung mit Farbe, Widerstand gegen Beamte. Hinrichs schilderte teils unter Tränen während der Verhandlung, sie sei klimabewusst aufgewachsen. „Ich bin überzeugt, das Richtige getan zu haben.“ Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das anders.
Bislang lassen sie die Aktivisten nicht abschrecken. Im Gegenteil: Die Zahlen gehen nach oben, auch wenn sich die Strategie zuletzt etwas änderte. In München zählte die Polizei nach Informationen unserer Zeitung im vergangenen Jahr 92 Aktionen – mehr als viermal so viele wie 2022, als es 22 waren. Ende August, im Vorfeld der Automobil-Ausstellung, hatten die Aktivisten München zur „Protest-Hochburg“ ernannt. Die Folge: eine Vielzahl von Blockaden, nach denen 36 Personen in vorübergehenden Gewahrsam genommen wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es 23 Verhandlungen mit Geldstrafen vor dem Amtsgericht.
Die Berliner Polizei war sogar bei 550 Protestaktionen von Klimaaktivisten im Einsatz. Ein Plus von 80 Prozent. Die Polizei sei massiv belastet worden, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Die Zeit fehle für andere Aufgaben. Seitdem die Proteste vor knapp zwei Jahren begonnen haben, seien bei der Berliner Polizei insgesamt 6130 Strafanzeigen eingegangen. 138 davon übrigens auch gegen Menschen, die verbal oder körperlich gegen die Demonstranten vorgingen.
Inzwischen beschäftigen sich viele Gerichte mit den juristischen Folgen der Aktionen. Bis Ende September hatte allein die Staatsanwaltschaft Berlin 2500 Verfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation eingeleitet, bei der Gruppe Extinction Rebellion waren es 400. Anfang Dezember sprach das Amtsgericht Heidelberg einen 27-Jährigen der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig, weil er mit einem umgebauten Feuerlöscher das Uni-Hauptgebäude großflächig mit oranger Farbe besprüht hatte. Er bekam eine sechsmonatige Haftstrafe.
In Berlin wurde im September eine Kölnerin (41) zu einer achtmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, weil sie sich zweimal auf Fahrbahnen festgeklebt hatte. Die Letzte Generation kritisierte daraufhin die „enormen Unterschiede im Strafmaß für ein und dieselbe Art von friedlichem Protest: Freisprüche und Einstellungen auf der einen, monatelange Haftstrafen auf der anderen Seite“ seien absurd.
Die CSU im Bundestag spricht sich deshalb vor ihrer Klausur in Seeon generell für härtere Strafen aus. Wer verhindere, dass Flugzeuge abheben, müsse ins Gefängnis. „Die Aktionen der Klimachaoten zeigen eine fortschreitende Radikalisierung. Darauf muss der Staat mit Konsequenz und Härte reagieren“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der „Bild“. „Wer Straftaten ankündigt und wiederholt durchführt und dabei Bürger massenhaft nötigt, ist ein Straftäter und kein Klimaschützer.“ (mit dpa)