Söder will mit SPD und FDP regieren

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Seeon – Rutschiges Gelände für einen Sozialdemokraten, Glatteisgefahr. In seinen eleganten Anzugschuhen schlittert Kaare Dybvad Bek über den Klosterhof auf die Kameras zu. „Snowy Bavaria“, murmelt er, verschneites Bayern. Aber er wollte hierher, will hier unbedingt auftreten. Der dänische Minister für Migration und Einwanderung erklärt einer anderen Partei als seiner, der CSU nämlich, 1000 Kilometer südlich von Kopenhagen, wie man eine bessere Politik machen kann. Obwohl nicht sonderlich prominent, ist er der spannendste Gast dieser Klausur.

Dybvad Bek (für Gastgeber Alexander Dobrindt der „liebe Kaare“) steht in Dänemark für einen strikten und mit harten Worten untermauerten Kurs in der Migration. Er fordert öffentlich Ukrainer zur Ausreise auf, wenn sie nicht arbeiten. Er redet öffentlich über Armutsflüchtlinge ohne Schutzanspruch. Er propagiert ein Ruanda-Modell, Asylbewerber außerhalb Europas unterzubringen. Seine Koalition streicht Staaten, die ihre Flüchtlinge nicht zurücknehmen, die Entwicklungshilfe. Und Dybvad Bek lässt so resolut abschieben, dass er landesweit nach eigenen Angaben nur noch 400 abgelehnte Asylbewerber zu versorgen hat. „Effektive Rückführung ist der Schlüssel“, sagt der 39-Jährige, „jedes europäische Land könnte das tun.“

Er redet mit den Abgeordneten Klartext, sogar teils auf Deutsch. „Migration ist nicht das Problem des Starnberger Sees, sondern eben der sozialen Brennpunkte“, wird er zitiert. Bei seiner Wortwahl zucken ab und zu gestandene Christsoziale, in interner Runde feiert er drastisch die unkomfortablen Abschiebezentren seiner Regierung, wo es nur Essen und medizinische Notversorgung gebe; und lässt nebenbei Distanz zur deutschen SPD anklingen. Bei der CSU scheint sich der Sozialdemokrat wohler zu fühlen, bleibt gleich den ganzen Tag in Seeon.

Seine Konzepte imponieren vielen in der CSU, Dobrindt greift Teile daraus auf für seine Migrations-Leitlinien: Schutzversprechen außerhalb der EU, runter mit den Asylleistungen, fast nur Sachmittel. Und ein „Arbeitsangebot“ an gesunde Ukrainer, das bei Ablehnung zur Ausreise in den Westen des Landes führen soll. Dobrindt hofft, mit dem Lösen des Migrationsthemas die AfD kleiner zu kriegen. In Dänemark habe das geklappt, sagt er. Die Ultrarechte schrumpfte im kleinen Land von über 20 in Richtung fünf Prozent.

Das Problem, für das die CSU aber auch in Seeon keine Lösung findet: Sie ist nicht an der Macht und hat nach Lage der Dinge vor Ende 2025 keine Chance, ihre Pläne umzusetzen. Eine Neuwahl kann man nicht erzwingen, solange die Ampel nicht an sich zerbricht. Die CSU ruft deshalb um so lauter danach. „Es braucht generell eine Neuwahl. Nur so lässt sich Vertrauen wiederherstellen“, sagt Klostergast Markus Söder. Der Parteichef präferiert dann ein Bündnis von Union und SPD, bei Bedarf auch mit SPD und FDP. Also alles, Hauptsache ohne Grüne. Und mit einem Wechsel im Kanzleramt: „Dieses Land braucht Chancen statt Scholz“, dichtet Dobrindt. „Die Ampel hat schlichtweg fertig. Und deswegen wäre es notwendig, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Bundestag stellt.“

Dass das geschieht, bezweifelt allerdings selbst der Chef der Schwesterpartei. Im Interview mit unserer Zeitung sagte Friedrich Merz unlängst, für 2024 rechne er nicht mit Neuwahlen.

Die wieder selbstbewusstere CSU will das Frühjahr nun zu einer inhaltlichen Aufstellung nutzen – Gegenentwurf zur Ampel, nicht Variante. Der härtere Migrationskurs und die Abschiebungen – Söder schlägt vor: auch in Teile von Syrien – zählt dazu. Es folgt: mehr Außenpolitik. Die CSU fordert mehr Hilfe und mehr Waffen (unter anderem Taurus) für die Ukraine. Die Bundeswehr soll eine eigene Drohnenarmee erhalten, die Wehrpflicht im nächsten Jahrzehnt wieder aufleben. Eine Fregatte im Roten Meer soll Handelswege schützen.

Personell sieht es in Seeon nach einem Kanzlerkandidaten Merz aus, auch wenn der wegen einer Familienfeier diesmal fehlt. Söder lobt ihn ausdrücklich und ungefragt.

Artikel 1 von 11