Die Zerreißprobe für die Ampel

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

München – Mittlerweile kennt man Robert Habecks Kommunikationsstrategie in Krisen. In Erklärmanier stellt sich der grüne Wirtschaftsminister vor die Kamera und versucht einzuordnen – dabei lässt er ganz nebenher seinen politischen Standpunkt einfließen. Diesmal meldet sich Habeck in einem neunminütigen Video zu den beginnenden Bauernprotesten zu Wort. Die Botschaft in etwa: Dass die Landwirte ihrem Ärger Luft machen, ist ihr gutes Recht, die Kürzungen der Subventionen werden aber nicht zurückgenommen.

Habeck verteidigt das neue Sparpaket zum Haushalt 2024, das die Bundesregierung nach dem Verfassungsgerichtsurteil schnüren musste. Am Vormittag hat das Kabinett die Vorarbeit für einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Geplant ist nun nicht nur eine Verschärfung beim Bürgergeld (zwei Monate keine Hilfen für Job-Verweigerer), sondern eben auch die umstrittene Subventionskürzungen für Bauern.

Kritik hagelt es dafür von allen Seiten. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied macht als Gast der CSU-Winterklausur im Kloster Seeon klar: Die Subventionskürzungen sollen vollständig zurückgenommen werden, zu belastend für die Landwirte. „Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten“, fürchtet Rukwied. Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, äußert sich verwundert, dass eine vergleichsweise kleine Gruppe von dem Entlastungspaket so stark betroffen sei. „Es ist eine überproportionale Belastung“, sagt Fuest auch in Seeon.

Die Union stellt sich auf die Seite der Bauern und setzt gleich zur Kritik gegen die Regierung im Ganzen an. „Die Ampel ist zum größten gesellschaftlichen Klimarisiko geworden“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Der Frust in der Bevölkerung, der sich jetzt mit diesen Bauernprotesten ausdrückt, muss geklärt werden“, fordert Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

Für die Ampel ist der Druck immens. Zumal es auch in den eigenen Reihen Unruhe gibt – und Abweichler. Gegenüber unseren Zeitungen fordert FDP-Vize Wolfgang Kubicki, dass an anderen Stellen mit dem Rotstift angesetzt werden soll. „Insbesondere bei der Entwicklungshilfe“ könne eingespart werden, sagt Kubicki und spottet über „Gender-Training für Sozialarbeiter in China“, das der Bund mitfinanziere. Das klingt anders als FDP-Chef Christian Lindner, der an die Bauern appelliert hatte: „Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um.“

Auch mehrere SPD-Ministerpräsidenten fordern die komplette Rücknahme der Agrar-Einschnitte – darunter Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern), Anke Rehlinger (Saarland) und der Niedersachse Stephan Weil.

Mit ihrem Protest haben die Bauern Erfolge erzielt, eigentlich sollten die Agrar-Kürzungen noch viel weitergehen. Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, warnt die Ampel jedoch vor erneutem Nachjustieren. „Wenn sie jetzt aufgrund der massiven Proteste völlig einknickt und alles zurücknimmt, würde sie sich erpressbar machen.“ Der Bauernverband müsse sich überlegen, ob er nicht schon genug rausgeholt habe. Denn „wenn diese Bauernproteste und das Einknicken der Regierung Schule machen, dann drohen weitere Proteste“, sagt von Lucke unserer Zeitung. „Das kann der Auftakt für einen Wut-Winter oder Wut-Frühling sein.“ Das Problem sei, dass die Ampel nicht als Vertretung des Gemeinwohls auftrete, sondern eher „als ein Sammelsurium von Klientelinteressen“ erscheine, sagt von Lucke.

Gleichzeitig werden die Demos unterwandert – auch von ganz rechts. „Es gibt mittlerweile Rechtsradikale, die dezidiert Bauernproteste nutzen, um auf diese Weise gegen Berlin und gegen die Demokratie zu agitieren“, so von Lucke. Laut Thüringer Verfassungsschutz nutzen Rechtsextreme jedes emotionale Thema, um in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Rukwied versichert: „Wir sind politisch unabhängig.“

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