Macrons junger Helfer in der Not

von Redaktion

VON RACHEL BOSSMEYER UND MICHAEL EVERS

Paris – Er ist jung, dynamisch und hat eine Karriere im Blitztempo hingelegt: Mit dem erst 34-jährigen Gabriel Attal als Premier will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Regierung aus einer Zwangslage befreien. Seit nun mehr als anderthalb Jahren tun sich Macrons Leute angesichts der fehlenden absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung schwer. Zuletzt wurden Zugeständnisse an die Opposition im Tausch gegen Stimmen so groß, dass das Lager zu zerbersten drohte. Doch ist ausgerechnet der junge Attal der Retter in der Not?

Attal ist ein Senkrechtstarter, der 2018 mit 29 Jahren zum Staatssekretär aufstieg. Danach wurde der aus dem Pariser Umland stammende ehemalige Sozialist als eloquenter Regierungssprecher bekannt. Zuletzt leitete er mit Geschick das schwierige Bildungsministerium und katapultierte sich auf der Beliebtheitsskala französischer Politiker weit nach oben.

Nun wird er zum jüngsten Premierminister Europas. Zugleich wird er zum ersten offen homosexuellen Premier Frankreichs – in seiner politischen Arbeit und den Medien spielte der Aspekt bisher aber keine Rolle. Attal hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politischer Lager in der Sache diskutieren zu können. Macron könnte er vom Typ her zudem besser liegen als Ex-Premier Élisabeth Borne, die am Montag samt ihrer Regierung auf Druck Macrons den Rücktritt einreichte: Attals zupackende Art und seine steile Karriere erinnern Beobachter an den Präsidenten.

Macron machte direkt klar, dass er große Hoffnungen in Attal setzt. Der Neue soll die angekündigte Erneuerung und Stärkung des Landes umsetzen – mit Kühnheit, im Geiste der Anfänge im Jahr 2017, als Macron noch als dynamischer und hoffnungsvoller Veränderer der politischen Landschaft Frankreichs galt und nicht als Präsident, der beim Versuch scheiterte, es allen recht machen zu wollen.

Konkret geht es für Macron nach internen Querelen um das verschärfte Immigrationsgesetz darum, sein Lager beisammenzuhalten. Stabilität und Handlungsfähigkeit sind für Macron essenziell: Im Juni steht mit den Europawahlen eine Bewährungsprobe an. Marine Le Pens Rechtsnationale drohen Macrons Mitte-Bewegung deutlich zu überholen. Und schon im Juli folgen die Olympischen Spiele in Paris.

Zweites Ziel dürfte es für Macron sein, verlässlichere Mehrheiten im Parlament zu organisieren. Man erinnere sich an die Empörung, als er Borne die hoch umstrittene Rentenreform ohne Endabstimmung durchdrücken ließ. Doch ob Attal gelingen wird, woran Borne sich aufrieb, ist fraglich. Der Sozialistenchef in der Nationalversammlung, Boris Vallaud, glaubt weder an neue Mehrheiten noch an eine neue Linie mit Attal. Der Linke Jean-Luc Mélenchon polterte, Attal sei wieder Regierungssprecher, das Amt des Premier verschwinde. „Der präsidentielle Monarch regiert allein mit seinem Hofstaat.“

Die konservativen Républicains forderten Attal indes zu einer anderen Methode auf. Die permanente Kommunikation müsse einer klaren und strengen Politik Platz machen. Le Pen hingegen meinte, von Attal und einer neuen Regierung sei nichts zu erwarten. Die Franzosen seien eines „kindischen Balletts der Ambitionen und Egos überdrüssig“. Die Europawahlen rief sie als Beginn des Wegs zum Wandel aus.

Über die Zusammensetzung der künftigen Regierung wurde am Dienstag noch nicht entschieden. Erwartet wurde aber, dass Macron an etlichen Schwergewichten des bisherigen Kabinetts festhalten und nur auf einzelnen Positionen Veränderungen vornehmen wird. Einfluss auf Frankreichs Handeln auf europäischer Ebene dürfte die Regierungsumbildung samt der Ernennung von Attal aber ebenso wenig haben wie auf die Beziehungen zu Deutschland. Der Präsident gibt in der französischen Innen- und Außenpolitik letztlich den Kurs vor, dem der Premier und die Regierung in aller Regel folgen.

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