Auf der Protestwelle

von Redaktion

Hubert Aiwanger inszeniert sich als oberster Vorkämpfer für die Bauern und gegen die Stadt

München – Aus Sicht von Hubert Aiwanger könnte der Jahresauftakt kaum besser laufen. Wie kein anderer Politiker versucht der Freie-Wähler-Chef, sich als oberster Bauernführer zu präsentieren. Er eilt von einer Protestkundgebung der Landwirte zur nächsten, oft als Redner und begleitet von viel Zuspruch. Zudem hat er es schon Anfang Januar wieder als Gast in eine bundesweite Talkshow geschafft, zu „Maischberger“.

Kritik lässt Aiwanger abperlen. Etwa von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, die den Freien Wählern wie der CSU vorwirft, „politische Propaganda“ auf dem Rücken der Bauern zu betreiben und die Proteste für sich und ihren Stimmenfang zu instrumentalisieren.

Die Freien Wähler als Bauernpartei, als Partei des ländlichen Raumes, als Partei der Handwerker und der „kleinen Leute“ – so sieht es Aiwanger gerne, so hätte er es gerne. „Wir sind bei den Themen, die momentan die Nation bewegen, an der Seite der Bürger klar und richtig positioniert und werden wahrgenommen“, freut er sich zu Beginn der Winterklausur der Landtagsfraktion in Lindau. „Ich bin ganz zufrieden, wie es für die Freien Wähler aktuell läuft“, sagt der Wirtschaftsminister. Aber: „Ich bin nicht zufrieden, wie es in der Republik politisch läuft.“

Die Koalitionspartner FW und CSU eint die Kritik an den Subventionskürzungsplänen der Berliner Ampel-Regierung im Agrarbereich. Insofern kämpfen beide Parteien für dieselbe Sache – aber es kämpft jeder für sich: um die ländliche Kernwählerschaft. Die Europawahl steht vor der Tür. „Wir regieren zusammen mit der CSU, stehen aber auch in einem ganz normalen politischen Wettbewerb“, sagt Aiwanger.

So selbstbewusst sich Aiwanger gibt, so erkennbar ist eine gewisse Nervosität bei der CSU. Markus Söder ließ sich zuletzt in Seeon zu der Bemerkung hinreißen, man solle zu dem Thema Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fragen und den Wirtschaftsminister zu Wirtschaftsthemen. Und Fraktionschef Klaus Holetschek sagt: „Es wäre gut, wenn sich der Wirtschaftsminister mit gleicher Energie für die bayerische Wirtschaft einsetzen würde wie für die Landwirtschaft.“

Dass sich Aiwanger, aufgewachsen auf einem Bauernhof, gerne zu Agrarthemen äußert, stößt Kaniber schon lange auf. Vor allem, weil Aiwanger in seinen Reden – auch wenn sie ihm oft Populismus-Vorwürfe einbringen – lauter, pointierter und nicht selten hart an der Grenze auftritt. Und weil er gerade deshalb gefeiert wird. „Jeder hat eine andere Arbeitsweise“, sagt Kaniber. „Demo-Hopping war jetzt nicht ganz so meine Welt.“

Aiwanger träumt vom Einzug in den Bundestag. Und seit seinem umstrittenen Auftritt auf der Erdinger Kundgebung gegen das Berliner Heizungsgesetz, vor allem aber seit dem Wirbel um die Flugblatt-Affäre, hat er auch bundesweit an Bekanntheit deutlich zugelegt, wenn auch nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Könnte es nun weiter nach oben gehen?

Nicht verwunderlich ist jedenfalls, dass die FW die Proteste der Bauern auch zu einem Topthema ihrer Winterklausur in Lindau machen. Man lehne „die überzogenen Kürzungen der Bundesregierung für die Landwirtschaft entschieden ab“, heißt es in einem Resolutionsentwurf. Proteste seien ein legitimes Mittel. Fraktionschef Florian Streibl betont allerdings: „Es gibt aber auch Grenzen. Wenn die Ampel auf Plakaten am Galgen aufgehängt wird – das geht nicht.“

Die Abschluss-Pressekonferenz am Freitag soll im Übrigen eine halbe Stunde früher beginnen als geplant. Aiwanger muss weiter – zu einer Demo. C. TROST/M. HADEM

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