Ampel sucht Gespräch mit den Bauern

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Sie haben sich Gehör verschafft: zornige Landwirte, die gestern in Cottbus von der Polizei an der neuen ICE-Instandsetzungshalle vorbei eskortiert wurden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollte wissen, wie sehr sie sich über seine Kürzungen ärgern. Den öffentlichen Auftritt mit den Landwirten mied der Kanzler. Drinnen aber zeigte er auch Verständnis für die Proteste.

Und es gibt erste Anzeichen für ein Einlenken: Nach dem Bahn-Termin traf sich Scholz mit Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Nach Darstellung des Brandenburger Landesbauernverbandes sei Scholz offen für einen Dialog mit den Landwirten. „Es ist erkannt worden, dass jetzt – leider viel zu spät – in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet haben“, sagte Wendorff, als Scholz schon auf dem Weg zur SPD-Klausur war. Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen. Wendorff betonte: „Das reicht nicht.“ Damit werde er die Landwirte nicht von den Straßen bekommen. Pikant: Vor den Kürzungen hatte Scholz seinen Agrarminister nicht zu Rate gezogen. Grund für übertriebenen Optimismus gibt es bei den Bauern nicht: Scholz habe kaum Bewegungsspielraum signalisiert.

Dass der Widerstand gegen die Agrarkürzungen so heftig wird, hätte sich Scholz denken können – und vermutlich wird ihn sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sogar darauf hingewiesen haben. Schließlich war dieser ja einmal Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und dürfte die Seele der Bauern kennengelernt haben. Aus Parteikreisen der Grünen heißt es, dass Habeck – wie auch Özdemir – gegen die Kürzungspläne war. Sie seien eine alleinige Entscheidung des Kanzlers gewesen. Am 4. Januar hatte die Bundesregierung angesichts des heftigen Widerstands der Bauern zwar die geplante KfZ-Steuer für Agrar-Fahrzeuge zurückgenommen. Doch die Bauern pochen auch auf die Rücknahme der Agrardiesel-Pläne.

Um Scholz wird es einsamer. Seit sich das Handwerk, Teile der Wirtschaft und des Tourismus mit den Bauern solidarisieren, steigt der Druck auf die Ampel. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) lenkt ein. Bei der TV-Sendung Maischberger zeigte er am Mittwochabend Verständnis für die Bauern. An der Streichung der Agrardiesel-Subventionen will er zwar festhalten – aber er deutet Förderungen in anderen Bereichen an. „Viele Jahre beobachte ich – übrigens sehr kritisch –, dass aus der Politik versucht wird, in die landwirtschaftlichen Betriebe hineinzuregieren: Düngemittelverordnung, ganz präzise Vorgaben an Pflanzenschutz, Flächen sollen stillgelegt werden.“ Und aus vielen Gesprächen mit Landwirten wisse er: „Die empfinden das als bevormundend“, sagte er mit deutlicher Adresse an die Grünen. Er warb dafür, den Landwirten zu vertrauen, „dass sie am besten wissen, wie sie ihren Boden bestellen“. Lindner kann sich weitere Hilfen vorstellen. Gespart werden müsse dann an anderer Stelle.

Hier deutet sich eine Lösung des Konflikts an. Auch die Bauern wissen, dass es auf einen Kompromiss zulaufen wird. Biokraftstoffe könnten den Weg ebnen: Sie sind ökologisch weniger bedenklich als fossile Kraftstoffe. Bauern können sie selber aus Raps produzieren, der in Ölmühlen gepresst und zu Biodiesel umgewandelt wird. Fast alle Agrar-Maschinen können damit betrieben werden.

Am Montag, dem Tag der zweiten Großdemo in Berlin, haben die Fraktionsvorsitzenden der Ampel die Bauern zum Gespräch in den Reichstag eingeladen. Eigentlich ein gutes Zeichen. Doch das Treffen soll um 13 Uhr stattfinden – und die Demo beginnt erst um 11.30 Uhr. Ob die Spitzen des Bauernverbands dann schon die Demo verlassen können, ist fraglich. Über fehlende Planungssicherheit soll gesprochen werden und wirtschaftliche Perspektiven. Auch Bundesfinanzminister Christian Linder will sich am Montag bei der Bauern-Demonstratio den protestierenden Landwirten stellen.

Artikel 2 von 11