München – Die überraschten Reaktionen erstaunten dann doch. Dass die Idee ethnischer Homogenität in der AfD und ihrem Vorfeld Popularität genießt, ist ja kein Geheimnis. „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach“, schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer unverblümt bei X. Das sei ein Versprechen.
Springer reagierte damit auf die Enthüllung eines Treffens rechter Kräfte in einem Hotel nahe Potsdam, bei dem es um das gegangen sein soll, was Neurechte beschönigend „Remigration“ nennen – die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund. Mindestens zwei hochrangige AfD-Politiker sollen dabei gewesen sein – auch die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy aus Weilheim.
Brisant ist, mit wem sie zusammentrafen. Der Vortragende, Martin Sellner, ist die Zentralfigur der „Identitären Bewegung“ (IB) im deutschsprachigen Raum. Der Verfassungsschutz wertet die IB als rechtsextremistisch, offiziell distanziert sich auch die AfD. Identitäre können etwa nicht Parteimitglied werden.
Inoffiziell sind Querverbindungen aber längst sichtbar, eine Vertiefung wohl erwünscht. „Das Treffen bei Potsdam zeigt, wie Mainstream die Identitären und ihre Ansichten mittlerweile in der AfD sind“, sagt der Extremismusforscher Peter R. Neumann unserer Zeitung. „Mittlerweile besorgt sich die Partei ihre programmatischen Ideen direkt von ihr“, der IB.
Sellner selbst gehört seit Langem zum politischen Vorfeld der AfD und ist etwa beim neurechten Verleger Götz Kubitschek ein gern gesehener, viel gelobter Gast. In dessen Verlag „Antaios“ veröffentlichte der Österreicher Sellner das Buch „Regime Change von rechts“, auf der Webseite „Sezession“ tritt er als Autor auf. Kubitschek wiederum gilt als AfD-Vordenker, mitunter als Souffleur von AfD-Leuten wie Björn Höcke oder Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten für die Europawahl.
Ziel von Kubitschek und Co. ist es, völkische Ideen im vorgeblich seriösen Gewand unter die Leute zu bringen. Insofern dürfte Sellner die Enthüllung des Treffens bei Potsdam sogar als Vermarktungs-Erfolg werten. In einem Beitrag für „Sezession“ schrieb er im Dezember selbst, die „Remigrations-Idee müsse „von hier aus Fahrt aufnehmen“, um „in der Mitte der Gesellschaft zu landen“.
Seit Wochen wirbt er dafür. Remigration klingt harmlos, tatsächlich ist es „eine etwas weniger plumpe Version des alten Slogans: ‚Ausländer (und alle, die wir für solche halten) raus!‘“, wie Neumann sagt. Sellner will möglichst viele Menschen außer Landes bringen, die nicht seiner Vorstellung von deutsch entsprechen. Drunter fallen für ihn „nichtassimilierte Eingebürgerte“. Das ist bewusst vage formuliert, es soll möglichst viele Menschen treffen.
Auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hängt der Idee von Massendeportationen an. Schon 2018 schrieb er, es werde in Zukunft „ein großangelegtes Remigrationsprojekt“ nötig sein; zur Umsetzung brauche es eine „Politik der wohltemperieren Grausamkeit“. Letztlich ließen sich „menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden“. Eine neue politische Führung werde „schwere moralische Spannungen auszuhalten haben“.
Schon damals, vor mehr als fünf Jahren, legte der rechtsextreme AfD-Mann offen, wo es hingeht, sollte sich seine Partei durchsetzen. Höcke, darauf muss man hinweisen, kann sich Hoffnungen auf einen Sieg bei den Thüringen-Wahlen machen, in einigen Szenarien auf das Amt des Ministerpräsidenten. Es soll der Anfang sein. „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist“, schrieb Höcke 2018, „machen wir Deutschen keine halben Sachen.“ MARCUS MÄCKLER