München – Er ist ins neue Amt gerumpelt, nicht geschlichen. Wenige Minuten nach seiner Wahl im Oktober stellte sich Klaus Holetschek vor eine Gruppe Journalisten im Landtag und verkündete in hoher Lautstärke, es werde „nicht so weitergehen wie die Jahre zuvor“. Die CSU-Fraktion wolle künftig „eine eigene DNA“ zeigen, eigene Impulse und eigene Themen setzen. Tenor: Hier bin ich, und jetzt wird vieles anders bei uns.
Nächste Woche wird Holetschek 100 Tage im Amt als Fraktionschef sein. Und kann mal zeigen, ob er seine Zusage einhält. Zum ersten Mal unter seiner Führung kommen die 85 Abgeordneten zu einer Klausur im fränkischen Kloster Banz zusammen.
Die erste Einkehr der Legislaturperiode soll den Ton setzen, soll der Regierung Rückendeckung geben, aber auch ein paar Hausaufgaben. Zur Erinnerung: In einer parlamentarischen Demokratie sind es die Regierungsfraktionen, in denen die Macht über jeden Steuer-Cent und jeden Paragrafen liegt. Nichts kann gegen ihren Willen laufen. Zuletzt sind die Abgeordneten in Bayern mit ihrer Macht arg zurückhaltend umgegangen. Besonders auffällig war das in den Klausuren: manchmal null eigene Ideen, keine Kontroversen. Die CSU-Treffen dämmerten dem dritten Tag entgegen, an dem Ministerpräsident Markus Söder dann mit seiner Grundsatzrede alles dominierte und neue Themen setzte.
Das hatte mit Söders Freude an Schlagzeilen zu tun, straffer Führung und phasenweise der Corona-Extremlage. Aber auch mit fehlender Initiative der Abgeordneten. Letzteres will Holetschek ändern. Von einem „Aufbruch“ spricht er, von „großem Selbstbewusstsein“ der Abgeordneten. „Wir sind nach wie vor eine Aktionseinheit mit der Staatsregierung. Unser Anspruch ist aber auch, eigene Themen zu setzen.“
Ein paar Mal hat es der 59-jährige Schwabe schon selbst rumpeln lassen im neuen Amt, griff in kontroverse Themen ein. Mit einem Positionspapier schrieb er eine harte Linie in der Migrationspolitik fest und packte den alten Kampfbegriff der „Leitkultur“ wieder aus. In der Debatte um eine Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk legte er sich auf ein „Nein“ Bayerns fest.
In Banz folgt nun der Vorstoß zu einer Dienstpflicht. Außerdem will Holetschek ebenso wie Söder an Plänen für einen wuchtigen Bürokratieabbau feilen. In Zeiten knapper Kassen soll der Staat effektiver werden. In der Fraktion reifen außerdem Ideen für Schulreformen.
Neu bei Holetschek zudem: ab und zu eine Watschn für den Koalitionspartner Freie Wähler. Im Gespräch mit unserer Zeitung verlangt er von Wirtschaftsminister Aiwanger, der derzeit von einer Bauerndemo zur nächsten eilt, sich mehr um sein Themenfeld zu kümmern. Bayern müsse „eine aktivere Wirtschafts- und Standortpolitik machen“. Dazu fällt der spöttische Satz: „Hubert Aiwanger ist manchmal ein kleiner Problembär.“
Die meisten Abgeordneten, die Holetschek mit 84:1 Stimmen zu ihrem Chef machten, sind zufrieden. Sie wollen Attacke und Aufbruch ja inzwischen auch. Bei der Wahl 2023 hat es viel Wechsel gegeben, 29 Neulinge. Die Neuen machen mehr Druck. Und haben Ansprüche: Die Chefs der Jungen Gruppe zum Beispiel, die Oberbayern Maximilian Böltl und Daniel Artmann, haben auf Anhieb einen Sitz im einflussreichen Haushaltsausschuss ergattert.
Und Holetschek selbst: Er positioniert sich ähnlich konservativ und kantig wie sein Vorgänger Thomas Kreuzer, sucht aber die Öffentlichkeit. Allein vor dieser Klausur: mehrere Interviews, TV, Radio, sogar im „Spiegel“; ein erfahrener Pressesprecher wurde als Kommunikations-chef in die Fraktion geholt.
Holetschek steht im Grundsatz absolut loyal zu Söder, holt sich aber nicht für jedes Detail das Placet ab. Als er im November mit der „Leitkultur“-Aussage viel Wirbel auslöste, hatte er Söder nicht um Rat gefragt. Der Regierungschef soll wenig begeistert davon gewesen sein – widersprach aber nicht.