Es ist paradox: Taiwan wird von den meisten Staaten nicht mal als Staat anerkannt. Trotzdem blickt die Welt an diesem Samstag mit Hochspannung auf die kleine Insel im Pazifik. Zu verdanken ist das Peking, das die Taiwan-Wahl als eine Abstimmung zwischen Krieg und Frieden bezeichnet. Damit will China den Menschen zwei Szenarien in den Kopf setzen: Bleibt die demokratische Fortschrittspartei (DPP) in der Regierung, kommt es früher oder später zur Invasion. Gewinnt hingegen die eher chinafreundliche KMT, kann man über alles reden.
Folgt man diesem Narrativ, wäre die logische Konsequenz der westlichen Welt, auf einen Wahlsieg der KMT zu hoffen – denn ein Taiwan-Krieg bedeutet auch eine Einmischung der USA, die Taiwan bereits jetzt mit Waffen ausrüsten. Leider gibt es aber keine simple Lösung für jahrzehntelange, internationale Konflikte. Zumal weder die DPP noch die KMT an einer Vereinigung mit China interessiert ist: Keine der Parteien stellt Taiwans Eigenständigkeit infrage. Das wird im weit entfernten Westen leicht übersehen. So wie auch die Tatsache, dass es bei dieser Wahl nicht nur um die Spannungen mit Peking geht. An diese ist man bereits seit mehr als 70 Jahren gewöhnt – an steigende Immobilienpreise und niedrige Geburtenraten hingegen nicht. Als eigenständige Demokratie hat Taiwan eigenständige Probleme. Wenn wir aber auf Xis Tricks reinfallen, wird es zum reinen Bedrohungsopfer Chinas degradiert.
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