„100 Tage. 07/10.“ Der israelische Fußball-Profi Sagiv Jehezkel wurde in der Türkei festgenommen und dann abgeschoben, weil er mit diesen dürren Zahlen an die schrecklichste Terror-Attacke seit dem World-Trade-Anschlag erinnert hat. Für die türkische Justiz bedeutet dieses Datum auf einem Hand-Verband „Volksverhetzung“. Der Vorfall zeigt auf traurige Weise, wie sehr die Spaltung der Welt vorangeschritten ist. Der Sport, der eigentlich völkerverbindend wirken sollte, hängt mittendrin im Kulturkampf zwischen muslimischen Staaten und Israel, zwischen Autokratien und Demokratien.
Recep Tayyip Erdogan spielt meisterhaft auf der Klaviatur der Emotionen seiner Türken. Er hat die pro-palästinensische Stimmung derart angeheizt, dass kaum ein Türke noch hinterfragt, warum es zum israelischen Angriff auf Gaza gekommen ist. Erdogan missbraucht das Leid palästinensischer Zivilisten, um von der wirtschaftlichen Misere in der Türkei abzulenken: Die türkische Lira ist auf ein Rekordtief gesunken, die Inflation liegt bei 65 Prozent. Ein jüdischer Fußballer als Sündenbock hilft zwar nicht gegen die explodierenden Preise – aber er gibt den Türken das gute Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, auf der Seite der geknechteten Muslime.
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