Der Kampf ums neue Pass-Gesetz

von Redaktion

VON JOHANNES SENK UND BIRGIT WILKE

Berlin – In Deutschland lebende Ausländer können sich künftig in kürzerer Zeit einbürgern lassen. Mit der Mehrheit von 382 Stimmen beschloss der Bundestag eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Die Union bekräftigte, das Gesetz nach einem Regierungswechsel unbedingt abschaffen zu wollen.

Neue Fristen: Den deutschen Pass könnten Migranten dann schon nach fünf statt acht Jahren Aufenthalt in Deutschland erlangen. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ wie herausragenden beruflichen oder schulischen Leistungen oder einem ehrenamtlichen Engagement könne sich die Frist sogar auf drei Jahre reduzieren.

Doppelpass erlaubt: Künftig soll eine Doppelstaatsbürgerschaft grundsätzlich für alle möglich sein. Es hängt demnach nur vom Staatsangehörigkeitsrecht des Herkunftsstaates ob, ob die bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten werden kann oder nicht. Bislang gilt eine Doppelstaatsbürgerschaft nur für Menschen aus anderen EU-Staaten, der Schweiz sowie aus den Staaten, die ihren Bürgern die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit verweigern. Dazu zählen etwa Afghanistan, Iran, Libanon und Syrien. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesinnenministerium zudem verfügt, auch bei Ukrainern auf die Aufgabe des anderen Passes zu verzichten, weil wegen des Krieges dieser Verwaltungsakt faktisch nicht möglich ist.

Voraussetzungen: Wer sich einbürgern lassen will, muss den Lebensunterhalt für sich und die Familienangehörigen grundsätzlich ohne Sozialleistungen bestreiten. Ausnahmen für Menschen, die unverschuldet auf Sozialleistungen angewiesen sind, sollen wegfallen. Betroffene haben dann die Möglichkeit, über eine Härtefallregelung eingebürgert zu werden.

Gastarbeiter, die bis 1974 in die Bundesrepublik eingereist sind, und sogenannte Vertragsarbeiter, die bis 1990 in die ehemalige DDR eingereist sind, sowie Familien mit einem minderjährigen Kind, wenn ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner in Vollzeit erwerbstätig ist, sollen aber von der Voraussetzung ausgenommen werden.

Vorstrafen: Generell dürfen Bewerber nicht vorbestraft sein. Zudem müssen sie sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Dazu gehören besonders die Würde und Gleichheit aller Menschen, also auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau; ausgeschlossen ist auch eine Einbürgerung im Falle einer Mehrehe. So verhindern auch Straftaten, die laut Entwurf „aus antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Motiven“ begangen wurden, eine Einbürgerung. Staatsanwaltschaften sollen Einwanderungsbehörden künftig solche Straftaten aktiv melden, um Einbürgerungen in diesen Fällen auszuschließen.

Internationaler Vergleich: Nach einer vor rund zwei Jahren veröffentlichten Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung gilt in einer Reihe von Staaten, darunter Frankreich, Finnland, den Niederlanden, Schweden und den USA, eine Frist von fünf Jahren. Ansonsten variieren die Bestimmungen stark: Während in der Schweiz, Litauen und Spanien die Fristen mit zehn Jahren deutlich höher liegen, sind Irland und Kanada mit drei Jahren großzügiger. Italien sieht zehn Jahre vor, für EU-Bürger hingegen nur vier.

Die Kritik: Teile der Opposition im Bundestag sind gegen die Reform. Die Union wirft der Bundesregierung vor, die Staatsbürgerschaft zu „verramschen“. Faktoren wie Straffreiheit, Deutschkenntnisse und Erwerbstätigkeit der betreffenden Personen müssten stärker berücksichtigt werden. Bayern startet eine Bundesratsinitative, den Pass leichter aberkennen zu können – etwa bei Hetzern.

Die Zahlen: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben etwa 14 Prozent der Bevölkerung keinen deutschen Pass – etwas mehr als zwölf Millionen Menschen. Von ihnen lebten rund 5,3 Millionen seit mindestens zehn Jahren hier. 2022 beantragten 168 545 Menschen den deutschen Pass, das waren 3,1 Prozent der ausländischen Staatsbürger, die seit mindestens zehn Jahren hier lebten. Im EU-Vergleich sei die deutsche Einbürgerungsrate unterdurchschnittlich.

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