In Deutschland haben wir ein deutlich niedrigeres Rentenniveau als etwa in Österreich. Was läuft bei uns schief?
Die Systeme sind sehr unterschiedlich und schwer zu vergleichen. In Österreich etwa muss ich 15 Jahre lang arbeiten, um überhaupt einen Rentenanspruch zu haben, in Deutschland nur fünf. In Österreich können also eingezahlte Beiträge einfach weg sein. Und in Österreich spielen Betriebsrenten und eigene Vorsorge eine sehr geringe Rolle. In Deutschland haben die allermeisten eine zusätzliche Absicherung, beispielsweise durch eine Betriebsrente oder eine Riester-Rente. Nur 17 Prozent müssen in Deutschland allein von der gesetzlichen Rente leben.
Laut einer Studie der Uni Wuppertal wollen die meisten vor 67 in Rente. Wäre eine noch längere Arbeitszeit nicht einfach eine verkappte Rentenkürzung, weil kaum einer so lange durchhält?
Ob sie nicht so lange durchhalten oder einfach früher Freizeit genießen wollen, ist wieder eine ganz andere Frage. Die Beschäftigten, die jetzt die abschlagsfreie Rente mit 63 in Anspruch nehmen, sind Menschen, die überdurchschnittlich gesund sind. Sie gehen nicht in Rente, weil sie es nicht mehr packen, sondern sie haben einfach noch etwas anderes vor im Leben. Und sie können es sich leisten.
Trotzdem: Was ist mit dem Dachdecker, der ja immer gern als Beispiel genannt wird?
Wer in solchen körperlich anstrengenden Berufen arbeitet, wechselt in der letzten Phase des Arbeitslebens oft in die Ausbildung oder andere weniger belastende Bereiche. Das müssen wir mit Umschulungen fördern. Es sind vor allem die Niedrigverdiener, die auch eine niedrigere Lebenserwartung haben, die in derartig körperlich belastenden Jobs arbeiten. Für die sollte es Konzepte für früheren Ruhestand geben – die derzeitige Rente mit 63 erreicht diese Gruppe aber gerade nicht.
Trauen sich Politiker nicht, das Thema längere Lebensarbeitszeit anzupacken, weil sie wiedergewählt werden wollen?
Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering hat vor 20 Jahren gesagt, dass man selbst mit Volksschule Sauerland versteht, dass, wer länger lebt auch länger arbeiten muss. Insofern wäre zu hoffen, dass auch heutige Politiker das verstehen. Dazu kommt: Das Thema länger arbeiten spielt eine umso geringere Rolle, wenn man die anderen Reform-Möglichkeiten mit in den Blick nimmt. Wichtig ist, die nötigen Reformen rechtzeitig anzugehen, damit sich die Menschen darauf einstellen können. Schon jetzt schießt der Staat ein Viertel seines Haushalts in die Rente. Da sind die hohen Kosten für die Pensionen noch gar nicht dabei.
Für Ihre Vorschläge zur Rente wurden Sie auch persönlich beschimpft.
Wenn man sich zur Rente äußert, gibt es immer Wirbel. Interessanterweise reagieren die besonders emotional, die es nicht mehr betrifft. Die wirklich Betroffenen, also die Jungen, wehren sich nicht, weil sie die Notwendigkeit einsehen.
Zu Ihrer Idee der aktienfinanzierten Rente: Was, wenn es mit der Börse bergab geht?
Über die letzten 100 bis 150 Jahre waren die Renditen im Schnitt immer sehr gut. Natürlich gibt es Phasen, wo es nicht so gut läuft. Wichtig ist deshalb, dass das Geld breit gestreut angelegt werden muss. Und das angelegte Geld sollte nicht gleich mit dem Renteneintritt versilbert werden, sondern möglichst zeitlich gestreckt genutzt werden, weil so im Fall schlechter Börse auf eine Erholung des Aktienmarkts gewartet werden kann. Und in der letzten Phase des Berufslebens sollte das Geld von der Börse auf sicherere Anlageformen umgeschichtet werden.
Interview: Klaus Rimpel