VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
„Wir sind das Volk“ ist ein mächtiger Satz in einer Demokratie, in der alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen soll. Der Ruf der friedlichen Revolution von 1989 ist heute umkämpft, selbst AfD, Pegida und Extremisten durchziehen damit ihre Demos. An diesem Wochenende hat die sonst recht schweigsame Mehrheit im Land sehr klar gemacht, wer unser Volk wirklich sein will: eine Gemeinschaft, die auch bei größtem politischen Dissens auf einem Wertefundament steht – gegen Extremismus, gegen Menschenfeinde, für unsere Verfassung. Die Großdemos von Hunderttausenden gegen Rechtsradikale stehen Deutschland sehr gut zu Gesicht.
Das muss der kleinste gemeinsame Nenner in einer Demokratie sein. Zur Wahrheit zählt: Nicht jeder Demo-Teilnehmer hat das verstanden. Es ist eine peinliche, große Dummheit, wenn selbst unter den Organisatoren des Münchner Auflaufs alles ab rechts der Mitte zu Faschisten erklärt wird, Teile von SPD und FDP gleich mit. Dieses Geifern spaltet, es banalisiert wahren Extremismus. Gut, dass die Mehrheit besonnen und genau justiert, wie weit das demokratische Spektrum reicht, wo es auf beiden Seiten endet und dass es in aufgeregten Zeiten immer wieder Rückwege hinein geben muss.
So stark, so mächtig diese Demonstrationen waren – sie sind kein Signal zum Weiter-so. Der Umgang mit der AfD sollte sich ändern. Zu hektisch, zu schnappatmig reagieren die Parteien auf jedes Zucken von ganz rechts. Und vergessen über diesen Reflexen die riesige eigene Verantwortung: die eigene Politik auf zwei, drei Feldern so zu ändern, dass es weniger Anlass für Zorn und Protest gibt. Keine noch so große Demo ist ein Ersatz für diese Politikwende.
Christian.Deutschlaender@ovb.net