Partei ohne Brandmauer

von Redaktion

Erfurt – Als alles gelaufen ist, steigt Hans-Georg Maaßen in sein Auto und fährt kommentarlos davon. Kein Wort zu den Journalisten, die draußen vor dem Versammlungslokal „Dasdie Brettl“ in Erfurt warten mussten. Dafür lässt der frühere Chef des Verfassungsschutzes bei X wissen, was er mit seiner neuen Partei vorhat. „Zusammen werden wir das Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen.“

Es ist eine Veranstaltung im Halbdunkeln, die Öffentlichkeit bleibt am Samstag ausgeschlossen. Klar ist: Die Werteunion wird vom Verein zur Partei, gut 90 Prozent der Anwesenden stimmten dem angeblich zu. Erst Anfang Januar hatte Maaßen den Schritt angekündigt, für viele überraschend. Die Partei will sich in der Nische zwischen Union und AfD festsetzen, dort, wo auch Hubert Aiwangers Freie Wähler sich tummeln.

Im Wahljahr 2024 differenziert sich das deutsche Parteienspektrum damit noch weiter aus. Erst vor Kurzem hatte Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gegründet, die sich weder rechts noch links einsortieren will. Die Ex-Linke bezeichnet sich selbst als „linkskonservativ“. Mit der Werteunion hat ihr Bündnis BSW immerhin gemeinsam, dass beide der starken AfD Stimmen abluchsen wollen. Während das BSW aber eine Zusammenarbeit ausschließt, ist Maaßen offen. Man sei „gesprächsbereit in alle politischen Richtungen“, hieß es am Wochenende. Man pflege „keine Brandmauern“.

Die anvisierte Parteigründung ist auch das Ende eines zähen Loslösungsprozesses von den Unionsparteien. Die hatten die 2017 gegründete Werteunion nie anerkannt – unter Maaßen nahm die Entfremdung Fahrt auf. Schon vor einem Jahr hatte CDU-Chef Friedrich Merz gesagt, in seiner Partei sei kein Platz mehr für den umstrittenen Juristen, ein Ausschlussverfahren gegen Maaßen läuft.

Das wird auch all jene Noch-Mitglieder von CDU und CSU treffen, die ihre bisherige Partei nicht freiwillig verlassen. Es sind nicht wenige. 85 Prozent der mehr als 4000 Werteunion-Mitglieder sollen einer der Unionsparteien angehören. Doppelmitgliedschaften sind in der CDU aber ausgeschlossen. CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte: „Wer bei der Werteunion mitmacht, kann kein CSU-Mitglied sein und muss die Partei verlassen.“ Die Werte der CSU seien mit den Standpunkten der Werteunion unvereinbar.

Das dürfte vor allem für Maaßen persönlich gelten, der immer wieder mit extremen, teils aus dem Verschwörungsmilieu stammenden Äußerungen auffällt. Ende November etwa empfahl er im Schweizer Magazin „Die Weltwoche“ Deutschland eine „Chemotherapie“ gegen die „Migrationskatastrophe“.

Nun will er es ohne die Union wissen: Erstes Ziel sind die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst. Bis Ende Februar wolle die Werteunion die „formalen Voraussetzungen geschaffen habe“, sagt Maaßen. Man werde mit allen Kräften zusammenarbeiten, die eine Politikwende anstrebten. Laut „Bild“ will Maaßen selbst für den Thüringer Landtag antreten. Die finale Parteigründung sei im Februar in Bad Godesberg geplant.

Welche Chancen die Werteunion hat, sollte sie im Herbst antreten, ist schwer zu sagen. Eine erste Insa-Umfrage im Auftrag der „Jungen Freiheit“ sieht ein Wählerpotenzial von rund 15 Prozent, wobei sich nur fünf Prozent der Befragten eine Wahl der neuen Partei „auf jeden Fall“, vorstellen können. Zum Vergleich: Das Wähler-Potenzial für Wagenknechts BSW liegt bei rund 20, das der Freien Wähler bei 14 Prozent.

Offiziell gibt die Werteunion an, sich gegen Extremismus zu stellen – einigen Mitgliedern werden aber Verbindungen ins rechtsradikale Milieu vorgeworfen. Auch bei einem Treffen nahe Potsdam, bei dem Rechtsextreme über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund debattierten, waren zwei Werteunions-Mitglieder anwesend.

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) schließt eine Zusammenarbeit schon mal aus. „Wir sehen doch, was das für Leute sind“, sagte er am Sonntagabend in der ARD. „Die haben einen solchen Hass nicht nur auf die CDU und die CSU, sondern auch auf das, was wir so den gesunden Menschenverstand nennen: Leben und leben lassen.“  mmä/dpa

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