Ankara – Nach anderthalb Jahren politischem Tauziehen hat das türkische Parlament der Aufnahme Schwedens in die Nato zugestimmt. Rund 20 Monate nach Antragstellung und nach immer neuen Blockaden vonseiten der Türkei und Ungarns stimmten gestern Abend mit breiter Mehrheit 287 Parlamentarier in Ankara dafür – 55 Abgeordnete waren dagegen, vier enthielten sich. Zudem lud der ungarische Regierungschef Viktor Orban seinen schwedischen Kollegen Ulf Kristersson zu Verhandlungen über einen möglich Nato-Beitritt ein.
In der Türkei fehlt nur noch die Unterschrift von Präsident Recep Tayyip Erdogan unter dem Beitrittsprotokoll – das gilt allerdings als so gut wie sicher. Ob er die türkische Ratifizierung zeitnah abschließt, bleibt aber noch abzuwarten.
Die schwedische Regierung hat die Zustimmung des türkischen Parlaments begrüßt. „Heute sind wir einer vollständigen Mitgliedschaft in der Nato einen Schritt nähergekommen“, erklärte Ministerpräsident Kristersson gesterm unmittelbar nach der Abstimmung in Ankara. Außenminister Tobias Billström betonte, dass es für Erdogan keinen Grund mehr gebe, mit der Ratifizierung abzuwarten.
Unter dem Eindruck des russischen Einmarsches in die Ukraine hatten sich Schweden und Finnland 2022 nach langjähriger militärischer Bündnisfreiheit dazu entschlossen, eine Mitgliedschaft in der Nato zu beantragen. Finnland bekam bereits innerhalb eines Jahres alle dafür notwendigen Ratifizierungen der Nato-Staaten zusammen und konnte dem Bündnis im April 2023 als 31. Mitglied beitreten. Schweden ging bislang hingegen leer aus.
Erdogan hatte die Zustimmung seines Landes unter anderem an Kampfjetlieferungen aus den USA geknüpft. Bisher fehlt dazu aber weiterhin die Zustimmung des US-Kongresses.
Die Türkei hatte ihre Blockade zudem auch immer wieder mit einem aus ihrer Sicht unzureichenden Einsatz Schwedens gegen „Terrororganisationen“ begründet. Dabei geht es Ankara vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG. Die Regierung in Stockholm hatte auf die Anforderungen der Türkei etwa mit verschärften Anti-Terrorgesetzen reagiert. Ärger gab es zudem um die Genehmigung von Koranverbrennungen in Schweden, die auf scharfe Kritik aus Ankara stießen.
Erdogan hatte sein Veto im vergangenen Jahr aufgekündigt und dem Parlament das Nato-Beitrittsprotokoll Ende Oktober zur Ratifizierung vorgelegt. Ob das grüne Licht aus Ankara nun an Zugeständnissen in Verhandlungen über Rüstungsgeschäfte hängt, blieb unklar.
Bliebe dann noch Ungarn. Orban hatte stets betont, sein Land wolle nicht das letzte sein, das Schwedens Beitritt ratifiziert. Nach den Signalen aus Ankara erklärte er gestern, Kristersson zu einem Besuch in Ungarn eingeladen zu haben, um über die Bündnisaufnahme der Schweden „zu verhandeln“. Sollte Orban dabei letztlich seinen Daumen heben, dürfte die Ratifizierung im ungarischen Parlament nur noch Formsache sein. Allerdings kommt das Parlament in Budapest planmäßig erst wieder im Februar zusammen.