Karlsruhe – Mit so viel Aufmerksamkeit haben sie bei der quasi bedeutungslosen NPD gar nicht mehr gerechnet. Aber am Dienstag steht die rechtsextreme Truppe, die sich jetzt „Die Heimat“ nennt, noch mal im Fokus. Grund ist ein Urteil aus Karlsruhe, das den Heimat-Anhängern nicht gefallen dürfte: Die Richter schließen die Partei für sechs Jahre von staatlicher Finanzierung aus (Az. 2 BvB 1/19).
Zwar hatte sie wegen Erfolglosigkeit zuletzt ohnehin keine öffentlichen Gelder mehr erhalten; die letzte Zahlung stammt aus 2020, damals flossen 370 600 Euro. Durch das Urteil sind aber auch Spenden an die Heimat nicht mehr steuerlich absetzbar. Schön sei das nicht, erklärte deren Chef Frank Franz, der weder zur Verhandlung noch zur Urteilsverkündung gekommen war. Trotzdem werde man sich nicht aufhalten lassen.
Interessant ist das Urteil besonders deswegen, weil manche in ihm einen Auftakt für ähnliche Schritte gegen die AfD sehen. SPD-Chefin Saskia Esken etwa sprach von einem „richtungsweisenden Urteil“, das „in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen Gefahr von heute hilfreich“ sein werde. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, mögliche Auswirkungen auf andere Fälle zu prüfen.
Am deutlichsten wurde Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Unterhalb der Schwelle des schwierigen und langwierigen Verbotsverfahrens gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, verfassungsfeindlichen Organisationen den Geldhahn zumindest abzudrehen – und ihnen nicht die Chance zu geben, mit Steuergeld gegen unsere Verfassung zu hetzen und zu agieren“, sagte er am Dienstag. „Das könnte am Ende auch eine Blaupause für die AfD sein und gegen die AfD.“
Über den richtigen Umgang mit der umfragestarken, in Teilen aber rechtsextremen AfD wird seit Wochen debattiert. Ein Verbotsverfahren gilt als wenig erfolgversprechend; darum kam zuletzt die Frage auf, ob es nicht einfacher wäre, ihr staatliche Zuschüsse zu streichen.
Juristisch ist die Sache aber nicht so einfach, wie es klingt. Die Richter haben im ersten Verfahren dieser Art nun klargestellt, worauf es ankommt. Dem Urteil zufolge widerspricht das politische Konzept der NPD-Nachfolgepartei der Menschenwürde und dem Demokratieprinzip. Sie wolle die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen und durch einen „an der ‚ethnischen Volksgemeinschaft‘ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen“, sagte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König.
Entscheidend ist nun, ob sich nachweisen lässt, dass die AfD als Partei ebenfalls verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Das Treffen nahe Potsdam, bei dem hochrangige AfD-Vertreter mit Rechtsextremisten über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte sprachen, ließ aufhorchen. Kritiker mahnen aber: Bei einzelnen Akteuren mag die Verfassungsfeindlichkeit klar nachweisbar sein, auf die Partei bezogen wird es herausfordernd.
Das Gericht habe mit seinem Urteil „eine Art Checkliste für zukünftige Verfahren“ erstellt, sagte der Verfassungsrechtler Michael Brenner in der ARD. Es sei sicher nicht eins zu eins auf die AfD übertragbar. Stattdessen brauche es eine gründliche Überprüfung, die Jahre dauern könne und mit dem Risiko verbunden sei, dass das Gericht am Ende im Sinne der AfD entscheidet. „Das könnte Wasser auf deren Mühlen sein.“
Auch Söder betont, es sei jetzt wichtig, „dass die Verfassungsschutzbehörden akribisch genau dokumentieren und sammeln, ob es eine Verfassungsfeindlichkeit der AfD in Gänze gibt“, sagte er. „Dafür spricht sehr vieles, auch jüngste Ausfälle.“
Aus der AfD selbst drang am Dienstag nicht viel. Vize-Parteichef Stephan Brandner sagte, er sehe das Urteil nicht als Präzedenzfall für ein Vorgehen gegen seine Partei. Die Parteichefs Weidel und Chrupalla schwiegen. mmä/dpa/afp