Tel Aviv/Gaza – Ihr Job ist eigentlich, Menschen in Not zu helfen – nun stehen aber zwölf Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Verdacht, in das Blutbad der Hamas am 7. Oktober verwickelt gewesen zu sein. Als Konsequenz kündigten zuerst Länder wie die USA, Kanada, Australien, Großbritannien, Finnland und Italien an, ihre Hilfszahlungen auszusetzen. Am Samstagabend erklärte auch die Bundesregierung, dass sie bis zum Ende der Aufklärung der Vorwürfe keine neuen Mittel für das UNRWA im Gazastreifen bewilligen werde.
Das Auswärtige Amt und das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) hoben in einer gemeinsamen Mitteilung hervor, dass derzeit ohnehin keine neuen Zusagen für das UN-Hilfswerk anstünden. Zudem betonten sie, dass die Rolle des UNRWA „für die Grundversorgung der palästinensischen Bevölkerung lebenswichtig“ sei. Die Bundesregierung unterstützte das UN-Hilfswerk nach eigenen Angaben allein im Jahr 2023 mit mehr als 200 Millionen Euro.
UNRWA-Chef Philippe Lazzarini übte scharfe Kritik an den Geberländern. „Es ist schockierend, dass die Mittel für das Hilfswerk als Reaktion auf die Anschuldigungen gegen eine kleine Gruppe von Mitarbeitern ausgesetzt wurden“, sagte er. UN-Generalsekretär Guterres appellierte an die Geldgeber, „zumindest die Kontinuität der Arbeit des UNRWA zu gewährleisten“. Das Leben von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen hänge von der Unterstützung des UN-Hilfswerks ab. Guterres verstehe zwar die Bedenken und sei selbst „entsetzt“ über die Anschuldigungen gegen die UNRWA-Mitarbeiter – die übrigen Angestellten dürften dafür aber nicht bestraft werden. Die UNO leitete Ermittlungen gegen die beschuldigten Mitarbeiter ein. Guterres zufolge wurden neun von ihnen entlassen. Einer von ihnen sei tot, und die Identität der beiden anderen werde noch geklärt.
Israel geht das Aussetzen der Hilfszahlungen nicht weit genug. „Herr Lazzarini, bitte treten Sie zurück“, sagte Außenminister Israel Katz. Das UNRWA diene „als ziviler Arm der Hamas“ im Gazastreifen.
Das UNRWA wurde 1949 infolge des ersten Palästinakrieges von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegründet. Die UNRWA-Angebote reichen dabei von Bildung, Gesundheitsfürsorge und Sozialdienstleistungen bis hin zu Infrastruktur und Nothilfe während bewaffneter Auseinandersetzungen. Insgesamt verwaltet das Hilfswerk rund 60 Flüchtlingslager. Von den 30 000 UNRWA-Mitarbeitern sind allein 13 000 im Gazastreifen in mehr als 300 Einrichtungen tätig.
Derweil droht die Lage in Nahost weiter zu eskalieren. Drei US-Soldaten sind nach Angaben des Weißen Hauses in Jordanien in der Nähe der syrischen Grenze bei einem Drohnenangriff proiranischer Milizen getötet worden. Gut zwei Dutzend weitere Soldaten wurden demnach verletzt. Der Anschlag sei „von radikalen, vom Iran unterstützten militanten Gruppen“ verübt worden, die in Syrien und im Irak operierten, teilte US-Präsident Joe Biden mit. Er drohte: „Haben Sie keinen Zweifel – wir werden alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, zu einem Zeitpunkt und in einer Weise, die wir wählen.“ US-Medien zufolge ist es das erste Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs, dass US-Soldaten im Nahen Osten durch einen feindlichen Angriff getötet wurden.
Die Kämpfe im Gazastreifen gehen indes unerbittlich weiter. Vor allem im Bereich von Chan Junis im Süden des zerbombten Küstengebiets gab es nach Angaben der israelischen Armee erneut „intensive Gefechte“. Gespräche über eine mögliche zweimonatige Feuerpause haben gestern in Paris zunächst zu keinem Ergebnis geführt – Vertreter der USA, Israels, Ägyptens und Katars wollen sich aber in dieser Woche erneut treffen, um die Diskussionen fortzusetzen.