So gefährlich ist der AKP-Ableger

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Kein anderes Land hat sich so lange um eine Mitgliedschaft in der EU bemüht. Und kein anderes Kandidatenland ist heute so weit von einer Aufnahme entfernt. Trotzdem könnte bald eine Erdogan-Partei im EU-Parlament sitzen: Offenbar gibt es Pläne zur Gründung eines AKP-Ablegers in Deutschland – die Partei nennt sich „DAVA“ (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) und geht bereits für die Europawahl am 9. Juni auf Stimmenfang.

Der „Bild am Sonntag“ liegt eine Gründungserklärung vor: Demnach gebe es vier Spitzenkandidaten. Dazu gehöre der Hamburger Arzt Mustafa Yoldas (53), der im Bundesinnenministerium wegen „Unterstützung der Hamas“ aktenkundig geworden ist. Auch der niedersächsische Arzt Ali Ihsan Ünlü, Funktionär der türkischen Organisation DITIB, sowie der Solinger Rechtsanwalt Fatih Zingal (44), früher Mitglied bei der SPD, gehörten dazu. Parteichef soll Teyfik Özcan (42) werden, ebenfalls Ex-SPD-Mitglied. Alle Männer stehen der AKP nahe.

Islam-Experte Ahmad Mansour warnt seit Jahren vor Einflüssen des politischen Islam in Deutschland. „Dass Erdogan-nahe Parteien wie die DAVA entstehen, ist das Symptom eines viel größeren Problems: Muslime in Deutschland entfernen und entfremden sich von unseren Werten“, sagt der Autor und Psychologe gegenüber unserer Zeitung. Die Parteigründung sei nur einer „von vielen Versuchen“ Erdogans, die Politik in Deutschland und Europa verändern zu wollen. Mansour bezweifelt zwar, dass die DAVA „kurzfristig zu einer starken Partei wird“ – auf lange Sicht könnte sich das aber durchaus ändern.

„Wir stehen seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober vor einer Radikalisierungswelle der muslimischen Community in Deutschland“, sagt Mansour. „Die deutsche Politik hat es nicht geschafft, diese Menschen für sich zu gewinnen.“ Die Deportationspläne deutscher und österreichischer Rechtsextremisten wirkten da wie ein Brandbeschleuniger. Für die DAVA sei nun „genau der richtige Zeitpunkt“, um diese Wähler auf ihre Seite zu ziehen, sagt er.

Die Partei positioniert sich gezielt als Migranten-Partei, ohne aber konkrete Angebote zu machen. Laut der „Bild am Sonntag“ fordert sie „eine pragmatische sowie ideologiefreie Flüchtlingspolitik“, macht auf Alltagsdiskriminierung aufmerksam und will, dass „Menschen mit ausländischen Wurzeln ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekommen“.

Die Politikwissenschaftlerin Inci Öykü Yener-Roderburg hält es derzeit nicht für realistisch, dass eine Partei, „die erst wenige Monate vor der Wahl gegründet wurde“, ins EU-Parlament einzieht – auch wenn es hier im Vergleich zu Bundestags- und Landtagswahlen keine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Ähnliche AKP-Ableger seien in der Vergangenheit nicht erfolgreich gewesen. „Aber für die nächsten Wahlen könnte das wichtig sein, insbesondere angesichts des neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes.“

Die Ampel möchte für Ausländer ab April Einbürgerungen sowie die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtern. Derzeit leben etwa 1,5 Millionen Türken ohne deutschen Pass in Deutschland – dabei handelt es sich um die größte ausländische Bevölkerungsgruppe. Für sie wird mit einer besonders hohen Nachfrage nach einem Doppelpass gerechnet. Dann könnten Erdogan-Fans den türkischen Präsidenten gleich doppelt wählen: im Heimatland die AKP und hierzulande die DAVA.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist alarmiert: Man versuche, „unmittelbaren Einfluss auf das europäische Parlament zu nehmen“, sagt er der „Welt“. Er wolle ein Verbot prüfen. Auch CSU-Chef Markus Söder reagiert kritisch. „Extra-Parteien sind ein Zeichen der De-Integration“, sagt er. Menschen mit Migrationshintergrund sollten sich in bestehenden demokratischen Parteien engagieren. Auch Söder warnt, das neue Staatsbürgerschaftsrecht der Ampel könne einem AKP-Ableger besonderen Schub geben.

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