Eingefrorene Russland-Milliarden: EU will Zinsen abschöpfen

von Redaktion

Drei Milliarden Euro pro Jahr für den Ukraine-Aufbau – Juristische und ökonomische Bedenken sind groß

München – Täglich gibt es neue Raketen- und Drohnenangriffe Russlands auf die Ukraine. Neben all dem menschlichen Leid, das diese Angriffe verursachen, richten sie auch enorme materielle Schäden an: Die Weltbank bezifferte im vergangenen Jahr die Wiederaufbau-Kosten mit mehr als 400 Milliarden US-Dollar (rund 372 Milliarden Euro).

Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten bei einem Sondergipfel am Donnerstag über ein finanzielles Hilfspaket von bis zu 50 Milliarden Euro zur längerfristigen Unterstützung der Ukraine. Enorme Summen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte schon im Sommer letzten Jahres angekündigt, Hilfe für die Ukraine auch durch Erlöse finanzieren zu wollen, die aus eingefrorenem russischem Vermögen stammen. Rund 200 Milliarden Euro aus russischen Vermögenswerten liegen auf EU-Konten.

Die EU hat die Gelder zwar eingefroren – doch davor, russische Oligarchen oder Gelder von Staats-Unternehmen einfach zu enteignen, schrecken die Europäer bislang zurück. Zum einen, weil solch ein Vorgehen juristisch anfechtbar wäre – mit großen Erfolgsaussichten.

Zum anderen aber auch, weil die Beschlagnahmung der russischen Gelder ein völkerrechtlicher Präzedenzfall wäre, der das Vertrauen in die internationalen Finanzmärkte erschüttern würde. Die EU will nun aber zumindest die Zinserlöse aus den Russen-Milliarden für die Ukraine-Hilfe verwenden – vergangenes Jahr waren das drei Milliarden Euro. Ein Zugriff auf Zinserlöse hätte den rechtlichen Vorteil, dass russisches Eigentum an sich unberührt bleibt.

Betroffen von den Plänen ist vor allem die Gesellschaft Euroclear mit Sitz in Belgien, die 90 Prozent der russischen Vermögenswerte verwaltet. Sie soll künftig verpflichtet sein, die Zinserlöse aus russischen Mitteln klar von anderen zu trennen, so der Beschluss der EU-Botschafter vom Montagabend.

In einem zweiten Schritt will die Kommission einen neuen Vorschlag zum Abschöpfen dieser Gelder unterbreiten. Die Pläne erfordern Einstimmigkeit bei den Mitgliedsländern.

Doch auch gegen die Zins-Beschlagnahmung gibt es massive Bedenken. Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte davor, dass selbst dies sich destabilisierend auf das Finanzsystem auswirken könnte. Internationale Anleger könnten sich aus Europa zurückziehen, wenn die EU auf Zufallsgewinne von Verwahrern zugreife. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich stets zurückhaltend zu den Plänen geäußert und das Vorhaben „furchtbar kompliziert“ genannt.

Die Sorge ist groß, dass Russland im Gegenzug selbst Vermögen ausländischer Investoren und Anleger beschlagnahmen könnte. Russlands Präsident Wladimir Putin wirft dem Westen vor, mit Enteignungen gegen eigene Prinzipien der freien Marktwirtschaft zu verstoßen. Belgien hat bereits eine Sondersteuer auf die entsprechenden Zinsgewinne von Euroclear eingeführt. Regierungschef Alexander de Croo stellte der Ukraine für dieses Jahr 1,7 Milliarden Euro daraus in Aussicht. KLAUS RIMPEL

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