Paris – In seiner ersten Regierungserklärung hat Frankreichs neuer Premierminister Gabriel Attal den Bauern Ausnahmen von europäischen Vorschriften in Aussicht gestellt. „Unsere Landwirtschaft ist unsere Stärke und unser Stolz. Deswegen erkläre ich hier feierlich: Es muss eine französische Ausnahme bei der Landwirtschaft geben“, sagte Attal gestern in Paris – allerdings ohne nähere Angaben zu machen.
Die Landwirte warteten auf Antworten mit Blick auf die „sich stapelnden Vorschriften, die von oben kommen“, sagte der Regierungschef. Bei den Verhandlungen über die von der EU vorgeschriebenen Brachflächen zeichne sich nun eine Verlängerung der Ausnahmeregelung ab: „Wir sind da auf einem guten Weg“, sagte Attal. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sollen Bauern eigentlich vier Prozent ihres Ackerlands brach liegen lassen oder mit Hecken bepflanzen. Für das vergangene Jahr galt jedoch eine Ausnahmeregelung, für deren Verlängerung sich nun zahlreiche Staaten einsetzen.
Die wütenden Bauern sind allerdings nur schwer zu besänftigen: Gestern haben sie den zweiten Tag in Folge wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris blockiert. Landesweit waren laut Autobahngesellschaft Vinci etwa ein Dutzend Autobahnen streckenweise gesperrt. Die Landwirte klagen über bürokratische Auflagen, kostspielige Umweltstandards und geringe Einkommen. Die bisherigen Ankündigungen – unter anderem der Verzicht auf eine geplante Steuererhöhung für Agrardiesel – hatte die Bauern nicht zufriedengestellt.
Die Blockaden in einer Entfernung von 30 bis 40 Kilometern von der Hauptstadt könnten noch tagelang andauern. Die Landwirte haben mobile Toiletten, Stromgeneratoren und Verpflegung organisiert. „Wir sind zu allem entschlossen“, sagte der Chef des Bauernverbands, Arnaud Rousseau. In den vergangenen Tagen war von einer „Belagerung“ der Hauptstadt die Rede gewesen.
Rousseau, der am Vorabend erneut mit Attal zusammengetroffen war, rief jedoch zur Mäßigung auf: Alles solle friedlich und geordnet zugehen. „Bislang unterstützen uns die Franzosen, aber sie wollen nicht, dass wir randalieren“, warnte er.
Die Polizei schränkte die Bauernproteste bislang kaum ein. Dennoch sind 15 000 Beamte zusätzlich im Dienst, am Großmarkt Rungis südlich von Paris wurden Panzerfahrzeuge der Gendarmerie stationiert. Da die Blockaden relativ weit von Paris entfernt sind, wurde der Verkehr in der Hauptstadt bislang kaum beeinträchtigt.
Innerhalb der Protestbewegung herrscht keine Einigkeit darüber, wie weit man gehen soll. Derzeit sind mehrere Traktor-Konvois unterwegs, die das Ziel haben, den Großmarkt in Rungis zu blockieren – was der Bauernverband jedoch ablehnt.
Auch in Griechenland sind die Bauern aufgebracht. Die Regierung hat ihnen nun zusätzliche Hilfen versprochen, um ein Ausweiten der Proteste zu verhindern. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte, er habe das Landwirtschaftsministerium angewiesen, „umgehend“ die Ersthilfen nach den schweren Überschwemmungen im Herbst zu erhöhen. So sollen die betroffenen Landwirte in der zentralgriechischen Region Thessalien zwischen 5000 und 10 000 Euro an zusätzlichen Hilfen erhalten. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern hatten auch in Griechenland in den vergangenen Tagen hunderte Landwirte Proteste organisiert und wichtige Straßen blockiert. In den kommenden Tagen sind noch größere Aktionen rund um eine Agrarmesse in Thessaloniki geplant.