FDP will EU-Lieferkettengesetz verhindern

von Redaktion

Liberale sehen deutsche Wettbewerbsfähigkeit gefährdet – Union: „Ampel in Brüssel blamiert“

Berlin/Brüssel – Es hat fast schon Tradition: Die Bundesregierung stimmt in Brüssel einem Kompromiss zu – und die ebenfalls in der Regierung sitzende FDP räumt diesen kurz darauf wieder ab. Nach der KI-Richtlinie und dem Gesetz zum Verbrenner-Aus ist das nun erneut beim geplanten EU-Lieferkettengesetz passiert, auf das sich die EU im Dezember eigentlich schon geeinigt hatte. Derzeit wird ein Rechtstext für das Gesetz ausgearbeitet, das Kinderarbeit und Umweltverschmutzung verhindern soll.

Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann wollen das geplante Gesetz jedoch nun nicht mehr mittragen. „Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirkt“, schreiben die FDP-Minister. Sie kritisieren, dass Firmen bei Verstößen gegen das EU-Lieferkettengesetz künftig zivilrechtlich haften sollen und ihnen Strafen bis zu fünf Prozent des Jahresumsatz drohen, beim deutschen Lieferkettengesetz ist das nicht der Fall. Zudem sollen die Pflichten auch für Mittelständler ab 500 Mitarbeitern gelten, das deutsche Pendant greift ab 1000 Mitarbeitern. Das führe zu mehr Bürokratie, belaste den Mittelstand und gefährde die deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit, so die FDP-Minister.

Das Nein der FDP ist eine Reaktion auf den Protest deutscher Wirtschaftsverbände. Im Januar hatten der Industrieverband BDI, die Arbeitgeberverbände, die Industrie- und Handelskammer und der Handwerksverband die Bundesregierung aufgefordert, das Gesetz zu kippen.

Auch aus Bayerns Wirtschaft gibt es Kritik, etwa vom Verband für Maschinen und Anlagenbau (VDMA). Bei großen Anlagen mit tausenden Teilen sei es „fast unmöglich“, Nachweise über alle Vorprodukte zu erbringen, sagte VDMA-Vorsitzender Bertram Kawlath, zugleich Chef des Ventileherstellers Schubert & Salzer. Er stört sich daran, dass nicht nur direkte Zulieferer, sondern auch Lieferanten aus der zweiten und dritten Reihe kontrolliert werden sollen. Das sei realitätsfern. „Wenn ich Leiterplatten in Asien bestelle und einen Nachweis verlange, aus welchen Minen die Metalle auf den dort verbauten Platinen stammen, zeigen die mir nur einen Vogel“, sagte Kawlath zu unserer Zeitung (Wirtschaftsteil).

Die Opposition spottete über den Streit in der Regierung. Mal wieder stehe „die Ampel in Brüssel blamiert da“, weil sie keine gemeinsame Position habe, sagte die Europabgeordnete Angelika Niebler (CSU). Dennoch freue sie sich, „dass wenigstens die FDP zur Vernunft gekommen ist“. Man habe von Anfang an vor den bürokratischen Belastungen durch das Gesetz gewarnt. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt forderte die FDP dagegen auf, ihre „Blockadehaltung aufzugeben“. Deutschland verspiele durch die Kehrtwende Vertrauen in Europa. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bot dem Koalitionspartner einen Kompromiss an: Demnach sollen Teile des deutschen Lieferkettengesetzes zu Gunsten der EU-Regeln ausgesetzt werden, damit es keine doppelten Berichtspflichten gebe.

Ob das Lieferkettengesetz auch ohne deutschen Zustimmung eine Mehrheit erhält, ist unklar, heißt es in Brüssel. Soll es vor der Europawahl im Juni eine Entscheidung geben, müsste in den nächsten Tagen ein Kompromiss her. Scheitert das EU-Gesetz wirklich, ist das aber nicht zwingend ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Wirtschaft. Sie müsste sich dann als einzige in Europa an ein Lieferkettengesetz halten: nämlich an das von der Großen Koalition eingeführte deutsche. ANDREAS HÖSS

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