Berlin – Die Unionsfraktion warnt angesichts der geplanten Einführung der Verantwortungsgemeinschaft vor der Anerkennung von Vielehen. „Niemand wird kontrollieren können, welcher Art die Verbindung zwischen den Menschen in einer solchen Verantwortungsgemeinschaft ist“, sagte der rechtspolitische Sprecher Günter Krings (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Was, wenn der Staat am Ende auch Verbindungen anerkennt, die unsere Rechtsordnung bisher mit Recht strikt ablehnt? Das könnte zum Beispiel die Vielehe sein.“
Die Ampelparteien hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Einführung einer Verantwortungsgemeinschaft verständigt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte am Wochenende in einem Interview der „Funke Mediengruppe“ an, im Herbst einen Gesetzesentwurf dazu ins Kabinett einzubringen. Die Eckpunkte für die Reform seien bereits fertig. „Im nächsten Jahr könnte das Gesetz in Kraft treten.“ Konkret richtet sich das neue familienrechtliche Modell demnach an Gemeinschaften von zwei bis sechs Personen, die zum Beispiel zusammen wohnen und sich auch im Notfall helfen wollen.
Nach den Worten des FDP-Politikers handelt es sich bei dem neuen Rechtsinstitut nicht um eine Alternative zur Ehe sondern um ein „Angebot für andere Nähebeziehungen“. Beispielhaft nannte Buschmann den Fall von zwei alleinstehende ältere Damen, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben. „Sie sind kein Paar, sie wollen nicht heiraten. Sie wollen sich gegenseitig helfen, gerade auch im Notfall.“ Mit der notariell beurkundeten Verantwortungsgemeinschaft könnten sie dafür eine rechtssichere Grundlage schaffen. „Das macht vieles einfacher – zum Beispiel beim Auskunftsrecht gegenüber Ärzten oder bei anderen Vertretungsfragen.“ Ein anderes Beispiel könnten zwei Alleinerziehende sein, die sich gegenseitig unterstützen wollten.
CDU-Politiker Krings hält das neue Modell für überflüssig. Wenn Alleinstehende füreinander im Alltag Verantwortung übernehmen wollten, brauche es dafür „kein neues, kompliziertes Rechtsinstitut“, so Krings. „Auch nach den Plänen des Justizministers sollen sie diese Gemeinschaft ja vor dem Notar schließen müssen. Unsere Notare halten dazu aber schon seit Jahrzehnten erprobte Vertragstexte bereit.“ Wer die Vertragsfreiheit ernst nehme, müsse nicht ständig „neue und überflüssige Gesetze“ machen. Die Union merkte kritisch an, dass Buschmanns Vorstoß mit Kosten für die Betroffenen verbunden sein werde. „Vorsorgevollmachten kann man sich schon jetzt kostenlos im Internet herunterladen, ein Gang zum Notar ist nur in Ausnahmefällen notwendig“, sagte die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher. Das sei im neuen Modell anders.
Buschmann räumte ein, dass sich durch einzelne Vollmachten etwas Ähnliches nachbauen lasse wie eine Verantwortungsgemeinschaft. Doch die Verantwortungsgemeinschaft biete zwei Vorteile. „Erstens kann man alles in einem Durchgang erledigen und sich beim Notar genau das passende Modell zusammenbauen. Außerdem hat die Verantwortungsgemeinschaft einen symbolischen Mehrwert. Wer sie eingeht, gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen.“ kna/afp