München/Berlin – Fasching ist nicht Zufall. Fasching ist Politik, wenn sich Markus Söder verkleidet. Wer auch nur einen Hauch Ahnung vom CSU-Chef hat, weiß seit dem Wochenende: Er hat der Republik zeigen wollen, dass er sich die Kanzler-Rolle zutraut. Als Reichskanzler Otto von Bismarck trat Söder in Veitshöchheim auf, grimmig und ernst. Die Botschaft hat einige Adressaten erreicht.
Nach Söders Aufzug reden Ampel-Politiker sehr ernsthaft über die Ambitionen des als Preußen verkleideten Bayern. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagt, „natürlich“ sei die Kostümierung „ein klares Statement an die Welt, das lautete: Ich kann auch Kanzler.“ Der offiziell favorisierte CDU-Chef Friedrich Merz dürfe sich schon mal auf ein Schicksal wie Armin Laschet einstellen, sagt Kubicki in der „Bild am Sonntag“. Und spottet in Anspielung auf den Familiensitz der Bismarcks in Norddeutschland: „Damit gewinnt der Begriff Friedrichsruh eine ganz neue Bedeutung.“ Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner sagt: „Eiserner Kanzler – das hätte Söder gerne, aber das wird nix.“
Söders Kostüme sind stets in der Botschaft so klar, dass er selbst nicht mehr nachlegen muss. Das war schon vor 2018 so, als er Ministerpräsident werden wollte und sich als Stoiber und als Prinzregent verkleidete. Auch diesmal sagt er treuherzig, er habe sich doch nur so verkleidet, weil er den Bismarckhering gern esse.
Auch inhaltlich sendet die Union die Botschaft, sich für eine Neuwahl zu rüsten – mit welchem Kanzlerkandidaten auch immer. Söder legte am Samstag weit jenseits des Faschings ein „Fünf-Punkte-Sofortprogramm“ vor, was eine unionsgeführte Bundesregierung alles anders machen werde. Einzelne Unterpunkte daraus: Heizungsgesetz kippen, Bürgergeld rückgängig machen und durch Sozialhilfe ersetzen, Kindergrundsicherung umbauen, Lkw-Maut senken, Mehrwertsteuer für die Gastronomie wieder runter, Überstunden steuerfrei stellen. Er spricht sich in den Eckpunkten, die unserer Zeitung vorliegen, gegen neue Schulden und für einen Sparkurs aus.
Wie und wann das umzusetzen ist, bleibt offen. Die Union spricht aktuell nicht mehr von einem Wechsel hin zu einer GroKo unter Olaf Scholz. „In der jetzigen Situation wären Neuwahlen der einzig richtige Weg“, sagte Söder der „Rheinischen Post“. „Die Ampel ist gescheitert und heillos zerstritten.“
CDU-Chef Merz arbeitet an künftigen Koalitionen. Er will sich nach der nächsten Wahl Bündnisse mit SPD, FDP oder (anders als Söder) auch den Grünen offenhalten. Ausgeschlossen sei lediglich eine Koalition mit der AfD: „Sie steht als rechtsradikale Partei außerhalb jedes denkbaren Spektrums für uns“, schrieb der CDU-Chef in seinem wöchentlichen Newsletter. Er will sich nicht vor der Wahl auf einen Partner festlegen. „Auch eine Koalition darf nicht alternativlos werden.“
In der Ampel aus SPD, Grünen und FDP werden immer wieder Sorgen laut, ob man bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2025 durchhält. FDP-Vize Kubicki warnt in der „Bild“ vor einem Bruch in den nächsten Monaten. In der Koalition hätten sich „Fliehkräfte“ entwickelt, die bei den Etatberatungen 2025 zunehmen würden. „Ich ahne für die nächsten Monate deshalb nichts Gutes.“
Kubicki ärgert sich aktuell massiv, dass Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) der Union Gespräche angeboten hatte über ein „neues Sondervermögen für die Wirtschaft“, also Milliardenschulden. Er kritisierte zudem mit Blick auf den Streit ums Kindergeld, die SPD agiere „unter Missachtung der Vereinbarungen in der Koalition“, die Spannungen stiegen. Schon vor zwei Wochen hatte Kubicki vor neuerlichen Bündnissen mit den Grünen gewarnt und gesagt: „Der Spirit, der zum Start der Ampel da war, löst sich auf.“
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ermahnte die Koalition, endlich das öffentliche Streiten einzustellen. „In letzter Zeit hat die Ampel zuweilen so gewirkt, als wäre Streit Sinn an sich“, sagte Baerbock dem RND. „Das sollten wir abstellen.“