Die russische Präsidentschafts-Kür ist keine Wahl, sondern eine Inszenierung. Und eigentlich hätte man gedacht, dass die Kandidatur Boris Nadeschdins die Putin-Show hübsch geschmückt hätte. Nach dem Motto: Seht her, liebe degenerierte Westler, in der Demokratie à la Putin ist durchaus Platz für einen Hofnarren, der ein wenig gegen die „Spezialoperation“ stänkern darf.
Fast alle Beobachter waren sich einig, dass der seit vielen Jahren auf verlorenem Posten agierende Oppositionelle maximal zehn bis 15 Prozent der Stimmen hätte gewinnen können. Die Ablehnung der Kandidatur Nadeschdins unter fadenscheinigen Begründungen zeigt deshalb, dass Putin nicht einmal mehr den Anschein von Demokratie erwecken will. Zu unkalkulierbar scheint es für den Kreml-Herren zu sein, wie viele heimliche Gegner des Überfalls auf die Ukraine es trotz aller Propaganda gibt. Nichts soll bei der Präsidentschaftswahl den Eindruck stören, wie einhellig das russische Volk hinter dem großen Führer Wladimir Wladimirowitsch steht.
Nadeschdins Ankündigung, die Ablehnung vor Gericht anfechten zu wollen, hat keinerlei Aussicht auf Erfolg. Aber sie zeugt von großem Mut: Nadeschdins einstiger Weggefährte Boris Nemzow wurde erschossen – der 60-jährige Physiker weiß also genau, dass er mit seinem Leben spielt, wenn er Putin allzu sehr reizt. Nadeschdins Name verweist auf das russische Wort für Hoffnung. Jetzt steht er symbolisch für die Hoffnungslosigkeit der russischen Opposition.
Klaus.Rimpel@ovb.net