Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den obersten Militärführer Walerij Saluschnyj entlassen. Das teilte Selenskyj gestern Abend mit. Zum neuen Oberbefehlshaber ernannte er Generaloberst Olexander Syrskyj, bisher Kommandeur der Landstreitkräfte.
Der Schritt folgte auf Wochen der Spekulationen über das Schicksal des bei Armee und Bevölkerung beliebten Generals. „Ich habe ihm für zwei Jahre der Verteidigung gedankt“, erklärte Selenskyj. „Wir haben darüber gesprochen, welche Erneuerung die ukrainischen Streitkräfte brauchen.“ Er habe ihm angeboten, „weiter Teil des Teams zu bleiben“. Was genau das heißt, bleib aber unklar.
Saluschnyj war im Juli 2021 als Oberkommandierender eingesetzt worden. Unter seiner Führung hielten die Truppen dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 stand und eroberten besetzte Gebiete zurück. Der General war auch maßgeblich an der Planung der Sommeroffensive 2023 beteiligt, die aber letztlich scheiterte.
Zuletzt bestimmten Meinungsverschiedenheiten – etwa über den Stand des Krieges – sein Verhältnis zum Präsidenten. Selenskyj soll den General schon Ende Januar zum Rücktritt gedrängt haben, der lehnte aber ab.
In der Ukraine und im Westen hatte das Bedenken ausgelöst. In diese Richtung ging auch die Reaktion des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. „Ich hoffe, dass die Regierung der Öffentlichkeit diese Änderungen erläutern wird. Wenn an der Front schwere Kämpfe stattfinden, wenn wir die effektive Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern fortsetzen müssen. Wenn die Einheit der Gesellschaft vertrauenswürdige Autoritäten braucht“, schrieb Klitschko auf Telegram.
Bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung gilt der bullige Soldat als äußerst beliebt. Deshalb kamen Spekulationen auf, er strebe eine eigene politische Karriere an. Saluschnyj dementierte das stets.
Der neue Oberbefehlshaber Syrskyj (58) hat, anders als sein Vorgänger, noch die sowjetische Schulung durchlaufen, er erhielt seine Offiziersausbildung in Moskau. Der Generaloberst ist ethnischer Russe und lebt seit 1980 in der Ukraine. Die Liste seiner Verdienste ist ebenfalls lang. Er war Kommandeur bei der Verteidigung gegen die als Separatistenbewegung getarnte russische Besetzung der Ostukraine ab 2014. Seit 2019 kommandiert er die Landstreitkräfte. Zudem hatte er großen Anteil an der Verteidigung von Kiew und am Durchbrechen russischer Stellungen im Herbst 2022 im Gebiet Charkiw.
Zwischen Syrskyj und Präsident Selenskyj gab es Militärexperten zufolge schon länger einen direkten Draht – auch unter Umgehung von Saluschnyj. Unklar ist, welche anderen strategischen Ziele der neue Oberbefehlshaber angesichts der prekären Lage verfolgen kann. „Saluschnyj rauszuwerfen und durch Syrskyj zu ersetzen – das ist kein neuer Ansatz. Sorry“, kritisierte der bekannte ukrainische Journalist IIlja Ponomarenko.