WIE ICH ES SEHE

Die gedruckte Zeitung – Gedanken in eigener Sache

von Redaktion

In dieser Woche hatten wir Besuch in der Redaktion von zwei Schülern eines bekannten Internates. Dort gebe es ein offizielles Mitteilungsblatt der Schule. Das aber sei zu zahm und deswegen kaum gelesen. Nun hätten sie eine eigene kritische Schülerzeitung gegründet. Die sei bei den Schülern aller Jahrgänge sehr beliebt.

Unsere jungen Besucher haben erkannt, dass Zeitungen kritisch sein müssen, wenn sie gelesen werden wollen. Besonders den Mächtigen in Staat und Wirtschaft darf die Zeitung nicht nach dem Munde reden. Im Gegenteil: Sie muss immer auf der Seite ganz normaler Menschen stehen, die ja auch den Kern ihrer Leserschaft ausmachen. Der italienische Historiker Benedetto Croce hat es so ausgedrückt: „Nur in Freiheit kann eine Gesellschaft sich entwickeln und Früchte tragen. Freiheit ist aber ohne eine freie Presse nicht zu haben.“

Wie überall, wo Freiheit gelebt wird, unterliegt ihr Gebrauch aber auch Gefahren. Gnade Gott einer Presse, die mit Schaum vor dem Mund im Kampagnenjournalismus alles und jedes herunterzieht. In der Weimarer Demokratie hat sich ein großer Teil der Presse darin versündigt, immer wieder seriöse Regierungen, die um Maß und Wert bemüht waren, lächerlich zu machen und in den Dreck zu ziehen.

Die nach dem Krieg im Geist des Grundgesetzes neu entstandene Presse der Bundesrepublik ist auch nie ganz frei von Skandalen gewesen. Man denke nur an die leichtfertige Veröffentlichung der angeblichen Hitler-Tagebücher im „Stern“. Dazu an manch andere anfangs groß aufgebauschte Enthüllungsgeschichten, die sich am Ende doch nur als die Geburt einer winzigen Maus erwiesen. Insgesamt aber muss man unserer Presse in ihrer grundlegenden Liberalität ein gutes Zeugnis ausstellen.

Es sind nicht die wenigen Titel mit nationaler Bedeutung, sondern Lokal- und Regionalzeitungen, die den Kern der deutschen Pressevielfalt ausmachen und mit Abstand die meisten Leser haben. Demokratie fängt bekanntlich im Lokalen an. Da ist es ein großes Glück, dass Deutschland ein Land ist, in dem es heute noch etwa 1000 Lokalredaktionen gibt. Dort sind auch die meisten deutschen Pressejournalisten tätig.

Lokaljournalisten sind ihren Lesern einfach näher, als die Titel von nationalem Rang das sein können. Ihre Arbeit basiert auf den journalistischen Grundsätzen der Themen und Meinungsvielfalt, der Ausgewogenheit und Objektivität.

Natürlich sind auch diese Grundsätze nur ein Ziel, nach dem es zu streben gilt, das aber nicht immer vollkommen erreicht wird. Auf jeden Fall aber sind unsere Zeitungen glaubwürdiger als das, was in den digitalen Netzwerken oft bewusst an Lügen falsch verbreitet wird. Dazu bewahrt der Zeitungsleser seine Privatheit vor dem Zugriff digitaler Geschäftemacher.

Die Zeitungen sind in Deutschland viel besser als ihr Ruf und auch keine aussterbende Spezies. Sie sind unverzichtbar für unsere Demokratie bis in das kleinste Rathaus. Zeitungen müssen mit Liebe zum Leser gemacht sein und Vielfalt bieten wie ein Blumengesteck. Dazu Überraschungen, wie eine Wundertüte.

Schreiben Sie an:

ippen@ovb.net

VON DIRK IPPEN

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