Washington – Die Lage ist ernst, aber für wenigstens einen Scherz war Olaf Scholz zu haben. „My Doppelgänger“, witzelte der Kanzler beim Treffen mit US-Senatoren. Tatsächlich: Chris Coons, ein Demokrat aus Delaware, sieht Scholz zum Verwechseln ähnlich, Frisur, Statur und schlumpfiges Grinsen. Auf ein Selfie mit dem Senator (60) ließ sich Scholz (65) ein bei seiner Washington-Reise.
Ein Doppel-Scholz – auch politisch könnte er das brauchen. Denn während es in der Berliner Ampel drunter und drüber geht, ist der Kanzler auch als Weltpolitiker in diesen Wochen extrem gefragt. Zu Coons und Co. in die USA ist Scholz aufgebrochen, um intensiv für ein Ja zu den rund 60 Milliarden Dollar schweren Hilfen für die Ukraine zu bitten.
In Washington wird der Kanzler ungewöhnlich deutlich. „Jetzt ist der Moment“, sagt er fast flehentlich. Man müsse jetzt ein „sehr klares Signal an den russischen Präsidenten Putin senden: dass er nicht damit rechnen darf, dass unsere Unterstützung nachlässt“.
Genau das ist in den USA gerade zu befürchten. Am Widerstand des Donald-Trump-Lagers droht das Hilfspaket zu scheitern. Trump und die ihm getreuen Republikaner blockieren im Kongress seit Monaten. Scholz sagt, ohne das Riesenpaket aus Washington könne sich die Ukraine militärisch nicht mehr lang wehren, werde überrannt von den Russen. Weitere Überfälle auf Länder folgten dann. Das jüngste Interview („völlig absurde Geschichte“) bestärkt Scholz in der Einschätzung.
Sofort nach der Landung bittet er einen Achter-Trupp an US-Abgeordneten zum Abendessen, Demokraten wie Republikaner. In der Residenz des deutschen Botschafters redet er bei Krabbensalat und Barschfilet auf sie ein. Er erzählt von den deutschen Hilfen, auf 30 Milliarden Euro beziffert er die Waffen-Unterstützung, Platz 2 hinter den USA. Tenor: von wegen wegducken, wir zahlen auch! Und das trotz der üblen deutschen „budget crisis“, die sogar in Washington in den Zeitungen steht.
In der Runde sind auch die Republikaner Dan Sullivan und der frühere enge Trump-Vertraute Lindsey Graham, sogar direkt rechts neben Scholz platziert. Die Abgeordneten hätten sich „hoffnungsvoll“ zum Hilfspaket geäußert, hieß es vage. Wann der Senat abstimmt, ist noch unklar. Und ein Ja des Repräsentantenhauses wird noch schwieriger. Scholz drängelt. „Ich will nicht spekulieren, wie lange es noch dauert und ob es noch ein paar Anläufe braucht. Aber es wäre schon gut, wenn das jetzt sehr bald erfolgte.“
Für den späten Freitagabend war der wichtigste Punkt von Scholz’ Besuch angesetzt: Vor einem knisternden Kaminfeuer im Oval Office macht Scholz gegenüber Biden noch mal deutlich, wie enorm wichtig das Ukraine-Paket ist. Biden warnt, es sei sogar eine „kriminelle Vernachlässigung“, das Paket nicht durchzubringen. Gut eine Stunde reden die beiden erst unter vier Augen, dann mit den engsten Beratern. Scholz schätzt Biden persönlich, gibt nicht viel auf die vielen Tattrigkeiten und Verwechslungen des Präsidenten. Scholz sprach nie laut darüber, aber weiß: Sollte Trump wiederkommen, wird das Verhältnis in Trümmern liegen.
Biden steht hinter der Ukraine-Hilfe, hat aber mit seinen Demokraten keine Mehrheit im Parlament. Innenpolitisch steht er unter Druck – wie Scholz daheim auch. Ungewöhnlich: Nach dem Gespräch verzichtet Scholz auf einen Presseauftritt mit Biden, lässt sich laut Plan gleich mit seiner Wagenkolonne – 15 Autos, heulende Sirenen – zum Flughafen Washington bringen. Am Samstagvormittag wird er wieder in Berlin erwartet. Seinen Doppelgänger Coons dürfte er schnell wiedersehen: Zur Sicherheitskonferenz am nächsten Wochenende wird eine über 100-köpfige Senats-Delegation nach Bayern reisen, an der Spitze Vizepräsidentin Kamala Harris. Scholz will sich erneut mit den Abgeordneten treffen.