Pistorius gegen EU-Atomwaffe

von Redaktion

Brüssel – Donald Trump hat bereits mit vielen Aussagen für Aufregung gesorgt, doch selten solch eine lawinenartige Debatte losgetreten: Seit Tagen diskutiert Europa über eigene Atomwaffen – und darüber, wie verlässlich die USA als Partner in Sachen Sicherheit sind. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) versucht nun, das Thema wieder abzukühlen. „Das ist eine wirklich so komplexe Diskussion, die man nicht mal eben lostreten sollte“, sagt er.

Pistorius kritisiert vor allem, dass die Diskussion nur wegen eines Wahlkampfauftritts des früheren US-Präsidenten geführt wird. Trump habe auf Atomwaffen nicht mal Bezug genommen. „Ich halte nichts von aufgeregten Debatten zur Unzeit und erst recht nichts davon, jedes Zitat aus dem amerikanischen Wahlkampf von jemandem, der Kandidat werden will, auf die Goldwaage zu legen“, sagt er. Stattdessen gelte es die „Hausaufgaben zu machen“, erklärt er mit Blick auf die Verteidigungsausgaben.

Am Wochenende hatte Trump gesagt, dass er Nato-Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Unter anderem die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, zog daraufhin die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel – und sprach von eigenen Atombomben für die EU.

Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) stimmt Barley zu. „Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente“, schreibt Gabriel in einem Gastbeitrag für den „Stern“. „Der amerikanische Schutz wird absehbar zu Ende gehen, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, muss jetzt beginnen“, meint der Ex-SPD-Chef.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zeigt sich skeptisch. „Ich möchte Frau Barley nicht zu nahe treten, aber ich glaube, dass sie überhaupt keine Vorstellung hat, was das letztlich bedeutet“, sagt die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl. Man könnte zwar über EU-eigene Atomwaffen nachdenken – „aber ich warne davor, dass mal so am Kaffeetisch zu sagen“.

Die Regierung baut auf die schon bestehenden Abschreckungsfähigkeiten der Nato. Regierungssprecher Steffen Hebestreit erinnert daran, dass die französischen und die britischen Atomwaffen bereits jetzt Teil des Abschreckungspotenzials seien. Er warnt davor, „Äußerungen von Männern und Frauen, die sich im Wahlkampf befinden und auch um Aufmerksamkeit buhlen, an dieser Stelle überzubewerten“.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht sich gegen zusätzliche Atomwaffen in Europa aus. „Wir haben die nukleare Abschreckung der Nato und diese bietet den Nato-Verbündeten seit Jahrzehnten die ultimativen Sicherheitsgarantien“, sagt er. Es gelte dafür zu sorgen, dass das funktionierende System sicher und zuverlässig bleibt.

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