München – In den Sozialen Medien war am Valentinstag ein recht verstörendes Bild zu sehen. Es zeigte Russlands Präsidenten Wladimir Putin neben Donald Trump liegend, Köpfe zusammengesteckt, beide innig lächelnd, zwischen ihnen ein Rosenbouquet. Das Kuschel-Autokraten-Bild war natürlich nicht echt, sondern ein Fake mit Botschaft: Ein US-Präsident Trump, das ließ sich herauslesen, wäre das größte Geschenk für den Kreml.
Umso verblüffender wirkte da, was Putin am Mittwochabend in einem Interview sagte. Auf die Frage, wen er sich künftig als US-Präsidenten wünsche, nannte er nicht Trump, sondern Joe Biden. „Er ist erfahrener. Er ist vorhersehbar, er ist ein Politiker der alten Schule“, erklärte Putin und nahm den US-Präsidenten, dem fortschreitende Tattrigkeit vorgeworfen wird, überdies in Schutz. Er habe Biden vor drei Jahren getroffen und von solcherlei Defiziten nichts bemerkt.
Lob für Joe, Watschn für Donald – das macht stutzig. Immerhin ist die vorherrschende Deutung, dass Putin sehr wohl auf eine zweite Trump-Amtszeit hofft. Schon 2016 soll der Kreml die Wahl zugunsten des US-Republikaners beeinflusst haben, eine Abkehr erscheint da zumindest seltsam.Außerdem ist es die Biden-Regierung, die seit zwei Jahren Putins Ukraine-Pläne durchkreuzt.
Besonders erstaunlich ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt. Erst vor wenigen Tagen hatte Trump dem Russen ein großes Geschenk gemacht: Die Ankündigung, er werde säumige Nato-Mitglieder dem Kreml zum Fraß vorwerfen, löste in Europa hektische Debatten aus. Biden schimpfte, Trumps Sätze seien „dumm“ und „gefährlich“. Im Kreml dürfte man das aufmerksam verfolgt haben.
Ob also auch Trump von Putins Wahl-Wunsch verdutzt war? Jedenfalls versuchte er, die Sache in seinem Sinne umzudeuten. Bei einer Veranstaltung in South Carolina nannte er Putins Äußerungen ein „großes Kompliment“. Putin wolle Biden, weil der ihm die Ukraine geben werde. Trumps Sohn Donald Jr. blies ins gleiche Horn. Putin könne Biden allzu leicht manipulieren.
In Wahrheit lässt sich beides wohl eher von Trump behaupten, der in seiner Amtszeit den Schmeicheleien Putins mehr als einmal auf den Leim ging und jetzt offen erklärt, er wolle keine neue Hilfe für Kiew.
Was haben Putins Sätze also wirklich zu bedeuten? Natürlich wünsche sich Putin Trump, schrieb der Politologe Thomas Jäger. „Es soll nur keiner sagen können, Russland habe ihm geholfen.“ Andere Beobachter glauben, Putin wolle Biden mit einem vergifteten Lob schaden. Allerdings gibt es auch eine andere Deutung. Putin sei von Trumps erster Amtszeit enttäuscht gewesen. Russland-Kenner Marc Galeotti sagte dem „Spiegel“ vor einiger Zeit, die Russen hätten es prinzipiell lieber mit einem „vorsichtigen, berechenbaren und gemäßigten Amerika zu tun“.
Im Interview kam Putin übrigens auch auf Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu sprechen. Es sei „schwer, sich vorzustellen, dass eine Politikerin dieses Ranges sich so geringschätzig zu den wirtschaftlichen Interessen ihres Landes, ihres Volkes verhält“, sagte er, ohne konkreter zu werden. Auch Russland gegenüber handele die Grüne feindselig. Diese Einschätzung überraschte wiederum so gar nicht. M. MÄCKLER