„Amerika wird weiter führen“

von Redaktion

US-Vizepräsidentin Kamala Harris versucht, den Nato-Verbündeten die Sorgen zu nehmen

München – Kamala Harris ist kein Neuling in München. Zum dritten Mal schon spricht sie bei der Sicherheitskonferenz – trotzdem ist dieser Auftritt etwas Besonderes. Die US-Vizepräsidentin ist hier, um ein paar Dinge geradezurücken. Sie spricht über die Führungsrolle der USA und die Bedeutung der Nato. Über all das also, was verloren ginge, sollte der nächste US-Präsident Donald Trump heißen.

Seinen Namen nennt die Demokratin in ihrer Rede am Freitag kein einziges Mal, das muss sie aber auch gar nicht. Im Bayerischen Hof versteht man ganz gut, wen sie meint. „Manche wollen Amerika in der Welt isolieren und sich mit Diktatoren verbünden“, sagt Harris. Das sei gefährlich, ja kurzsichtig. „Isolation ist kein Schutz.“ Dass die USA ihre „langjährige globale Führungsrolle“ weiterhin erfüllten, sei im ureigensten Interesse der Amerikaner.

Man muss es wohl ein Krisensymptom nennen, dass die US-Vizepräsidentin etwas, das jahrzehntelang selbstverständlich war, derart betont. Aber ihre – nicht restlos angenehme – Mission in München ist eben die: Sie soll den verunsicherten Verbündeten die Ängste nehmen, ihnen klarmachen, dass die USA sich nicht abwenden. Joe Bidens Versprechen, Amerika sei zurück („America is back“), geäußert vor drei Jahren an gleicher Stelle, wirkt derzeit einfach sehr weit weg. Das liegt in allererster Linie an Trump, der den Nato-Verbündeten unlängst einen schweren Schock versetzt hatte. Bei einer Wahlkampfveranstaltung sagte er sinngemäß, er werde Mitglieder, die nicht genug zahlten, Russland schutzlos ausliefern.

Harris knüpft direkt daran an: „Die Nato ist zentral für unsere globale Sicherheit“, sagt sie. Die Prämisse sei einfach: Ein Anschlag auf eines ist ein Anschlag auf alle Mitglieder. Harris erinnert auch daran, dass es die USA waren, die nach dem 11. September Europa um Beistand baten. Sie und Biden stünden eng an der Seite der Verbündeten. Das ist ermutigend gemeint, hat aber auch etwas Abgründiges. Es zeigt, was bei der Präsidentschaftswahl im Herbst auf dem Spiel steht.

Tatsächlich ist Trumps Einfluss schon jetzt allzu spürbar, etwa bei der seit Wochen andauernden Blockade des neuen US-Hilfspakets für die Ukraine. Harris warnt ausdrücklich davor, dem angegriffenen Land die Hilfe zu verweigern. Das, sagt sie, wäre ein „Geschenk für Putin“.

Sie formuliert klar, bisweilen scharf, man könnte sagen: führungsstark. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Die 59-Jährige ist in den USA unbeliebt und politisch wenig erfolgreich. Dass sie qua Amt die natürliche Nachfolgerin des Präsidenten ist, musste sie kürzlich in einem Interview eigens betonen. „Sie sei bereit zu dienen“, sagte sie dem „Wall Street Journal“.

Harris, man kann es nicht anders sagen, kämpft in München auch um ihren Job. Vielleicht neigt sie deshalb dazu, die Dinge hier und da allzu schön zu zeichnen. Putins Krieg gegen die Ukraine sei schon jetzt „ein komplettes Versagen“, sagt sie und zählt auf: Russland habe zwei Drittel seiner Panzer und ein Drittel seiner Schwarzmeerflotte verloren, gut 300 000 Russen seien ums Leben gekommen. Als sie erklärt, Kiew stehe heute „frei und stark“ da, sitzt der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev reglos da.

Harris wird heute noch eine Reihe von Gesprächen in München führen, die zentrale Botschaft hat sie jetzt platziert. „Amerika“, verspricht sie im Bayerischen Hof, „wird weiterhin eine Führungsrolle übernehmen.“ Das gilt zumindest bis November. Dann ist Wahl. MARCUS MÄCKLER

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