Pekings unglaubwürdiger Friedensbotschafter

von Redaktion

Außenminister Wang Yi präsentiert sich bei der Siko als Konfliktlöser – Zwangsarbeit in Uiguren-Region sei erfunden

München – Manchmal braucht es auf der Siko gar nicht die riesige Bühne für die wirklich spannenden Dinge. Die ganze Welt hat zwar am Samstag auf den Auftritt des chinesischen Außenministers Wang Yi geblickt. Wie angespannt das Verhältnis zwischen den USA und China mittlerweile ist, zeigt sich aber vor allem bei einer kleinen Randveranstaltung im Anschluss. Als die wenig bekannte Außenpolitikerin Fu Ying mit SPD-Chef Lars Klingbeil und US-Senator Ben Cardin über die Sicherheit im Indopazifik debattiert, meldet sich plötzlich ein Journalist der Washington Post zu Wort. „Frau Fu, viele bei uns in Washington sorgen sich um Ihren früheren Außenminister Qin Gang“, sagt er. „Haben Sie was von ihm gehört? Ist er okay?“

Die Frage klingt harmlos, doch sie macht ein heikles Thema auf. Seit Sommer vergangenen Jahres fehlt von dem früheren Außenpolitik-Chef jede Spur. Sein Verschwinden hatte zahlreiche Spekulationen angeheizt: Neben Krankheit und Tod war auch von Affären und Spionagevorwürfen die Rede. Fu Ying versteht die Frage des Journalisten als Provokation und weicht aus: „Da Sie von der Washington Post sind, gehe ich davon aus, dass Sie ihn viel besser kennen als ich.“

Es ist ein kleiner Moment, der das fehlende Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Supermächten offenbart – und in Erinnerung ruft, wie wenig man über China und die Methoden der Kommunistischen Partei weiß.

Noch kurz zuvor hatte Wang Yi – der Nachfolger des verschollenen Ministers – in seiner Rede China als Friedensmacht präsentiert, als Kleber, der die zersplitterte Weltordnung wieder zusammenfügen wird. „Egal, wie sehr sich die Welt verändert – China bleibt eine stabile Kraft“, sagt der chinesische Außenminister. Peking werde dabei helfen, wieder Frieden zu schaffen, sowohl in der Ukraine („Sicherheitsinteressen beider Länder müssen anerkannt werden“) als auch in Nahost. Die Vertreibung der Palästinenser sei die „am längsten währende Ungerechtigkeit in unserer Welt“, sagt er. Es brauche dringend eine Zwei-Staaten-Lösung. „China steht auf der Seite der Gerechtigkeit“, sagt er. Zu dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel und einer Freilassung der Geiseln äußert er sich aber nicht.

Wang Yi hat viele warme Worte dabei. Die Welt müsse wieder zusammenhalten, Europa und China dürften sich nicht voneinander entfernen. Als Siko-Chef Christoph Heusgen ihn auf die Lage der Uiguren anspricht, wird die Situation skurril. „Ich lade hier jeden ein, nach Xinjiang zu fahren und sich anzusehen, wie gut es den Menschen dort geht“, sagt Wang Yi. Der Vorwurf, dass in der westchinesischen Provinz Uiguren Zwangsarbeit verrichten müssen, sei eine Lüge. Die Medien der westlichen Welt würden bewusst Falschmeldungen verbreiten.

Als das Thema Taiwan aufkommt, blockt der Chinese. „Die Taiwan-Frage ist eine interne Frage Chinas“, sagt er. Der Inselstaat bleibe „Teil des chinesischen Territoriums“ – eine taiwanische Unabhängigkeit sei nicht mit Frieden in der Region vereinbar. China betrachtet das demokratische Taiwan als abtrünnige Provinz und droht, eine Vereinigung mit Peking notfalls mit Gewalt zu erreichen – obwohl die Insel noch nie zur Volksrepublik China gehört hat.

Taiwanische Vertreter waren nicht eingeladen. Siko-Chef Heusgen begründete das zuvor damit, dass Deutschland seine China-Politik unterstreichen will. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann spricht von einem „ganz falschen Signal“: „Die Idee dieser Veranstaltung ist, alle an einen Tisch zu bringen – Freunde wie Feinde“, kritisiert sie. KATHRIN BRAUN

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