Scheiterte wichtiges Siko-Signal am Veto des Kanzlers?

von Redaktion

Interview mit dem Politologen James Davis: „Scholz hat keine glaubwürdige Strategie geliefert“

München – Die 60. Münchner Sicherheitskonferenz ist vorbei – was ist das Ergebnis? Der US-Politologe James Davis zieht Bilanz.

Herr Davis, der Tod Nawalnys hat große Bestürzung bei der Siko ausgelöst…

Nawalnys Tod hat den meisten Siko-Teilnehmern klargemacht, dass wir es mit einem Verbrecher-Regime zu tun haben und dass wir noch mehr für die Ukraine tun müssen. Aber Olaf Scholz ließ Konsequenzen offen – etwa, ob Deutschland jetzt doch Taurus-Raketen liefern wird.

Gab es Enttäuschung über die Rede des Kanzlers?

Ja, weil Scholz wieder nur eine Bestandsaufnahme der Situation geliefert hat und keine glaubwürdige Strategie, wie wir hier vorwärtskommen können. Eigentlich sollte die Siko mit einem großen Symbol beginnen: Frankreichs Präsident Macron, Polens Premier Donald Tusk und Scholz unterzeichnen gemeinsam mit Selenskyj Sicherheitsabkommen. Aber die Bundesregierung hat das abgeblockt, ist zu hören. Das war eine verpasste Chance für Deutschland, Führung zu übernehmen.

Selenskyj hat um anhaltende Hilfe geworben – auch bei den US-Republikanern. War er erfolgreich?

Die meisten US-Republikaner, die nach München kommen, sind ohnehin die, die überzeugt sind, dass die USA die Ukraine noch stärker unterstützen müssen. Ich habe unter den US-Delegierten einen vorsichtigen Optimismus gehört, dass es im Repräsentantenhaus doch noch zur Unterstützung des Hilfspakets kommen könnte, weil es genügend republikanische Stimmen dafür gibt. Die Frage ist: Wie lange wird das dauern?

Trump war der Elefant im Raum. Ziehen die Europäer die richtigen Konsequenzen aus der Gefahr, dass sie bald ohne US-Schutz dastehen könnten?

Trump war tatsächlich in jeder Diskussion Thema, egal ob auf der Siko-Bühne oder in den Gesprächen auf den Fluren des Bayerischen Hofs. Als Amerikaner in Europa wurde ich immer wieder gefragt: Was, wenn er wiederkommt? Ich glaube, dass Trump auf gewisse Weise viel bewirkt hat: Die Europäer haben verstanden, dass sie so oder so mehr für ihre Sicherheit tun müssen. Denn auch wenn Trump die Wahl verliert, wird der Trumpismus, also eine populistische, nationalistische Haltung in der Wählerschaft, bleiben.

War da auch eine europäische Atombombe Thema?

Ja, es wurde das Projekt Europäische Nuklear-Forschungsgruppe auf den Weg gebracht, wo in den nächsten zwölf Monaten über die Modernisierung der atomaren Abschreckung diskutiert wird. Aber auf der Siko hat man verstanden, dass man darüber nicht reden kann, ohne sich die Kosten und die Finanzierung klarzumachen. Eine EU, die nicht mal in der Lage ist, gemeinsame Steuern zu erheben, wird nicht fähig sein, schnell einen eigenständigen Atom-Schutzschild aufzubauen. Die von einigen Politikern angestoßene Diskussion wirkte da bisher ziemlich undurchdacht.

Zu Israel: Nahezu alle Redner plädierten für die Zwei-Staaten-Lösung. Wird das Benjamin Netanjahu beeindrucken?

Das glaube ich nicht – um Netanjahus Position zu ändern, müssen die USA die Daumenschrauben immer stärker anziehen. Und je näher die US-Wahl rückt, desto weniger wird Biden dazu bereit sein, weil das die Republikaner als mangelnde Unterstützung Israels ausschlachten könnten.

Interview: Klaus Rimpel

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