Lauterbach zieht den Kiff-Plan durch

von Redaktion

VON PETER WÜTHERICH UND SASCHA MEYER

Berlin – Karl Lauterbach hat in diesen Tagen keinen dankbaren Job. Die Cannabis-Legalisierung war nie ein Herzensprojekt des SPD-Gesundheitsministers. Der Arzt hat sich eher zögerlich von dem Ampel-Plan überzeugen lassen. „Wenn man es angefangen hat, muss man es auch durchziehen“, sagte er noch vor einigen Wochen – was ziemlich leidenschaftslos klang. Jetzt muss ausgerechnet er für die Legalisierung kämpfen. Eigentlich sollte die Freigabe von Cannabis nun auf der Zielgeraden sein, doch der Widerstand ist enorm – selbst aus der eigenen Partei.

Am Freitag soll das Cannabis-Gesetz offiziell verabschiedet werden. In Teilen der SPD-Bundestagsfraktion, aber auch bei SPD-Landespolitikern, stellen sich nun einige Parteikollegen quer. Die beiden führenden Innenpolitiker der Fraktion, Sebastian Fiedler und Sebastian Hartmann, wenden sich sogar in einem Brief an ihre Fraktionskollegen und raten von der Zustimmung ab.

„Lasst uns den Prozess noch einmal ordentlich starten“, zitiert der „Tagesspiegel“ aus dem Schreiben. Fiedler und Hartmann schlagen demnach einen Testlauf für die Cannabis-Freigabe in Modellregionen vor. Sie warnen, dass Lauterbachs Vorlage die angestrebten Ziele verfehlen werde – etwa den Kampf gegen organisierte Kriminalität, die Entlastung von Polizei und Justiz sowie einen besseren Jugendschutz. Fiedler sagt dem Online-Rechtsmagazin „Legal Tribune Online“, mit der aktuellen Lösung könne sich die organisierte Kriminalität gut arrangieren. „Wenn künftig jeder mit bis zu 25 Gramm Cannabis durch die Straßen laufen darf, ohne dass nach der Herkunft des Stoffes gefragt wird, ist das genau die Form von Vertriebsmöglichkeit für Dealer, von der sie nicht einmal zu träumen gewagt haben.“

Lauterbach erwidert im Deutschlandfunk, in dem Brief sei „kein einziges neues Argument“ enthalten. „Wenn wir uns jetzt öffentlich Briefe schreiben – das ist nicht schön, aber auch damit leben wir“, fügt er hinzu. Der Minister knickt nicht ein: „Das Gesetz wird durch den Bundestag gehen.“ SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisiert den Brief der Abgeordneten als „nicht sehr hilfreich“. Vor der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion hat Mützenich all jenen Abgeordneten Gespräche angeboten, die sich mit der Zustimmung zu der Vorlage „schwertun“.

Ein zentrales Anliegen der Neuregelung ist die Schwächung des Schwarzmarkts. „Wir dürfen hoffen, dass wir mit diesem Gesetz zwei Drittel des Schwarzmarktes beenden können“, sagt Lauterbach. Wenn in Cannabis-Clubs und im Selbstanbau künftig genug Material angeboten werde, werde die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt drastisch einbrechen.

Lauterbach sagt, es sei auch bei Gegnern der Reform nicht strittig, dass die jetzige Politik gescheitert sei. Gerade Jüngere konsumierten zunehmend. „Wir überlassen die jungen Leute jetzt also in einer Tabuzone dem Schwarzmarkt.“ Dort gebe es „toxische Substanzen“ mit Beimengungen sowie Dealer in zwielichtigen Umfeldern. Es gehe nicht darum, neue Konsumenten zu finden. „Sondern die 18- bis 25-Jährigen, die jetzt konsumieren, die wollen wir einfach sicherer konsumieren lassen.“

Lauterbachs Entwurf soll den Selbstanbau von Cannabis entkriminalisieren sowie die Einrichtung nicht-kommerzieller Cannabis-Clubs erlauben, welche die Droge für Mitglieder anbauen und abgeben. Die zunächst erwogene Einrichtung eines staatlich kontrollierten Cannabis-Markts ist aber offenbar aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich.

Widerstand gegen die Regelung kommt nicht nur aus dem Bundestag und von den Landesregierungen. Der Deutsche Richterbund (DRB) kritisiert, mit Lauterbachs Gesetz komme „eine gewaltige Mehrbelastung auf die ohnehin schon überlastete Strafjustiz zu“, erklärt DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Die Vorlage der Ampel-Fraktionen sehe „einen rückwirkenden Straferlass“ für Cannabis-Vergehen vor, erklärte Rebehn. Dies erfordere „eine händische Überprüfung aller einschlägigen Fälle“. Dabei gehe es um zehntausende Akten bundesweit.

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