München – Es sind vor allem zwei Frauen, die jetzt weiterkämpfen – für die Freiheit in Russland, aber auch, um den verstorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny würdig zu verabschieden. In einem Video fordert Nawalnys Mutter erneut die unverzügliche Freigabe des Leichnams. „Lassen Sie mich endlich meinen Sohn sehen (…) damit ich ihn auf menschliche Weise beerdigen kann“, fleht Ljudmila Nawalnaja darin. Mehrere Tage lang wurde ihr der Zutritt zu einem Leichenschauhaus verweigert, in dem sich Nawalnys Leiche befunden haben soll. Laut der oppositionellen Sprecherin Kira Jarmisch werde die Leiche versteckt, „um die Spuren des Mordes zu verwischen“.
Julija Nawalnaja hatte Kremlchef Wladimir Putin bereits am Montag weiter den Kampf angesagt und den russischen Machtapparat für den Tod ihres Mannes verantwortlich gemacht – in einer emotionalen Videobotschaft. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete ihre Worte daraufhin als „unflätige und absolut unbegründete Anschuldigungen gegen den russischen Staatschef“. Angesichts der Tatsache, dass Nawalnaja seit wenigen Tagen Witwe sei, werde er ihre Worte aber nicht weiter kommentieren, erklärte er.
Doch Nawalnaja zeigte sich unbeeindruckt. „Es ist mir völlig egal, was der Sprecher des Mörders zu meinen Worten sagt“, schrieb sie auf dem Nachrichtendienst X (vormals Twitter). Auch sie forderte: „Geben Sie Alexejs Leiche zurück und lassen Sie uns ihn würdig beerdigen – hindern Sie die Menschen nicht daran, von ihm Abschied zu nehmen.“ Kurz darauf sperrte X ihr Konto wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Regeln des Onlinedienstes. Nähere Angaben wurden zu den Gründen nicht gemacht – rund 50 Minuten später war das Konto wieder verfügbar.
Die Forderung der EU nach einer „internationalen Untersuchung“ des Todes von Nawalny wies Peskow am Montag zurück. „Wir akzeptieren solche Forderungen im Allgemeinen nicht – und erst recht nicht von Herrn Borrell“, sagte der Kreml-Sprecher. Zugleich verteidigte der Kremlsprecher das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Russen, die Blumen niederlegten und Kerzen anzündeten. Die Uniformierten hätten ihre Aufgabe im Einklang mit den Gesetzen erfüllt, meinte Peskow.
Die zeitgleiche Beförderung ranghoher Beamter des Strafvollzugs durch Putin löste derweil heftige Kritik aus. Der zum Generaloberst des Innenministeriums beförderte Vizechef der Gefängnisbehörde FSIN, Waleri Bojarinew, sei persönlich für die Folterungen Nawalnys im Gefängnis verantwortlich gewesen, erklärte der Direktor des von Nawalny gegründeten Fonds zur Bekämpfung der Korruption, Iwan Schdanow. „Das muss man wohl als offene Belohnung Putins für die Folter verstehen.“
Klar ist aber: Die russischen Oppositionellen lassen sich nicht einschüchtern. Der inhaftierte Nawalny-Freund Ilja Jaschin erklärte: „Solange mein Herz in meiner Brust schlägt, werde ich gegen die Tyrannei kämpfen.“ mm