Komplizierte Regeln für legales Kiffen

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Für einen kurzen Moment ist Karl Lauterbach seinen Kritikern gar nicht mehr fern. Jedenfalls klingt ein Hauch von Verständnis durch, als der Bundesgesundheitsminister am Freitag über die von ihm vorangetriebene Teil-Legalisierung von Cannabis spricht. Die Argumente, die die Opposition vorbringt, decken sich mit einigen Vorbehalten, die auch Lauterbach früher hatte. Er sei viele Jahre dagegen gewesen, sagt der SPD-Minister. Aber die Wissenschaft habe ihn überzeugt, diesen Weg zu gehen. Legaler Eigenkonsum, ein Austrocknen des Schwarzmarktes, mehr Aufklärung.

Dieser letzte Schritt unterscheidet ihn dann doch wieder von den Unionsparteien. Auch die berufen sich auf Experten und Wissenschaftler, doch im Ergebnis hält ihre Ablehnung bis zur Abstimmung und darüber hinaus. Die CDU-Politikerin Simone Borchardt moniert, mit der Legalisierung werde der Konsum unter Jugendlichen zunehmen. Der Jugendschutz sei nur ein Lippenbekenntnis der Ampel, das Gesetz „ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt“.

Die Argumentation auf beiden Seiten ist schon lange bekannt, der Effekt auf das Abstimmungsergebnis deshalb gering. Mit 404 gegen 226 Stimmen (vier Enthaltungen) votiert der Bundestag letztlich für die kontrollierte Freigabe. Für Minderjährige bleibt der Konsum verboten.

In der Drogenpolitik markiert dieser Tag eine Zäsur. Damit erkenne man endlich die Lebenswirklichkeit vieler Menschen an, argumentiert der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). Bisher steige der Konsum trotz des bestehenden Verbots von Erwerb und Besitz besonders unter jungen Menschen, heißt es im Gesetzentwurf. Cannabis vom Schwarzmarkt sei zudem oft von Verunreinigungen betroffen. Lauterbach hebt aber auch diese Botschaft hervor: „Es wird zwar legal, aber es gibt Probleme.“

Voraussichtlich zum 1. April wird Cannabis nun im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit soll dann zwar grundsätzlich verboten bleiben – aber mit drei Ausnahmen für Personen ab 18.

Erlaubt werden soll der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Pflanzenmaterial zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahren können. Angebaut werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, zudem muss gesichert sein, dass Kindern der Zugriff verwehrt bleibt – etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen. Wie praxistauglich diese Vorgaben freilich sind, wird sich schon bald zeigen.

Wie ein Paradebeispiel deutscher Vereinsmeierei klingt die dritte Ausnahme. Erlaubt werden sollen demnach auch sogenannte Anbauvereinigungen. Gewissermaßen sind das Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – an einem Tag höchstens 25 Gramm je Mitglied, im Monat höchstens 50, für junge Erwachsene gelten Einschränkungen. Das Anbaugebäude, auch das ist geregelt, darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Ein Mitgliedsausweis ist ebenso nötig wie ein amtlicher Ausweis mit Foto. Ordnung muss auch beim kollektiven Kiffen sein.

Auch beim Schutz von Minderjährigen sind die Regeln so penibel wie realitätsfremd. Der Konsum „in unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen soll verboten sein, ebenso in Fußgängerzonen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Untersagt wird Kiffen zudem auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon – also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Zunächst waren 200 Meter angedacht.

Zweifel aber bleiben, selbst in der Ampel. Aus der SPD gab es vier Nein-Stimmen, aus der FDP eine. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung geben. Unter anderem zu der Frage, wie sich die Legalisierung tatsächlich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.  (mit dpa)

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