Nawalnys Leichnam

Neuer Fixpunkt für das andere Russland

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Es dauerte mehr als eine Woche, bis die russischen Behörden den Leichnam des Putin-Gegners Alexej Nawalny herausrückten. Das Motiv? Eine letzte Demütigung des Toten, das Verwischen von (Mord-)Spuren, Einschüchterung der Hinterbliebenen? Vielleicht auch die Angst des Regimes, Nawalnys Beerdigung könnte zum Beleg dafür werden, dass es trotz all der Repression, trotz der jahrelangen Hirnwäsche ein anderes Russland noch immer gibt. Man weiß es nicht und ahnt doch: Putin fürchtet den Furchtlosen auch nach dessen Tod.

Er hat Anlass dazu. Der Kreml mag den Menschen Nawalny beseitigt haben, nicht aber das, wofür er stand. Spätestens seit dem beeindruckenden und berührenden Auftritt seiner Witwe Julija bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist das klar. Inzwischen hat sie angekündigt, den Kampf ihres Mannes, dem sie sich ohnehin längst verschrieben hatte, fortzuführen – vermutlich mit anderen Mitteln, aber ziemlich gewiss mit gleicher Entschlossenheit. Nawalnaya gilt als überlegt, nicht draufgängerisch, als Mensch ohne zerstörerischen Machthunger. Sie ist die perfekte Antithese zu Putin.

Ist das naiver Zweckoptimismus? Das mag so scheinen, zumal ihre Wirkmacht begrenzt ist. Kaum denkbar, dass sie sich – wie ihr Mann – in den Schlund des Monsters stürzt. Im Ausland aber kann sie zumindest ein Fixpunkt jener bleiben, die sich in die innere Migration geflüchtet haben. Und für Putin ist sie die lebende Erinnerung daran, dass sich kritischer Geist nicht töten lässt.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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