Asyl-Gipfel: „Brauchen Atempause“

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND CLAUDIA MÖLLERS

Berlin/München – Die hessische Landesvertretung in Berlin gilt als recht gastfreundlich, ein angeschlossenes Bistro bietet lokale Spezialitäten: Wetterauer Bratwurst, Handkäs mit Musik, dazu Licher Pils. Der Gast am 6. März wird für all das eher wenig übrig haben: Olaf Scholz, der Kanzler, findet sich zu einem schwierigen Gespräch ein. Die Ministerpräsidenten wollen mit ihm dringend über Migration reden.

Auf zwei Stunden ist das Treffen angesetzt. Die hessische Regierung als Gastgeber zieht den Termin extra vor, damit Scholz ja Zeit hat. Regierungschef Boris Rhein (CDU), der derzeit die Ministerpräsidentenkonferenz leitet, hatte im Januar einen nachdrücklichen Brief an ihn geschrieben und einen Sondergipfel eingefordert.

Den Ländern brennt das Thema nämlich auf den Nägeln, über Parteigrenzen hinweg. Nach den Bund-Länder-Beschlüssen im November zur Migration ist wenig passiert. Selbst über die Bezahlkarte für Asylbewerber streitet die Ampel noch. Rhein will zudem eine Antwort auf die offene Frage, ob sich der Schutzstatus auch in Transit- oder Drittstaaten feststellen lässt. Also: Ob Deutschland auch ein Ruanda- oder Albanien-Modell machen könnte mit Asyl-Unterkünften außerhalb des eigenen Gebiets, sogar außerhalb der EU.

Führende Unionspolitiker arbeiten genau daran. Unbemerkt von der Öffentlichkeit war in den vergangenen Tagen Alexander Dobrindt, der Chef der CSU im Bundestag, in Ruanda. Er habe sich ein Bild davon gemacht, wie die Briten vor Ort alles vorbereiten, um Asylverfahren und Schutz für Migranten „in diesem sicheren Drittstaat zu ermöglichen“, sagte er laut Teilnehmern gestern in einer Sitzung des Parteivorstands. „Die Regierung Ruandas ist bereit, mit Deutschland ähnliche Vereinbarungen zu treffen.“ Dobrindt verlangt von der Ampel, das zu verhandeln. Man müsse die kriminelle Schleuser-Logik durchbrechen.

Es mag zuletzt ruhiger um das Thema Asyl geworden sein. Vor Ort wachsen die Konflikte aber eher – wie der heftige Streit um Unterkünfte, zum Beispiel im Ort Warngau, belegt. Wieder mehr Kommunalpolitiker melden sich energisch zu Wort.

„Wir brauchen eine Atempause“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Angesichts von 1,1 Millionen Ukraine-Flüchtlingen und Hunderttausenden Asylbewerbern in den vergangenen Jahren sei die Belastungsgrenze der Kommunen deutlich überschritten. Gerade den Ehrenamtlichen gehe allmählich die Kraft aus. „Da kann der Enthusiasmus noch so groß sein, irgendwann ist es einfach zu viel.“

Die Kommunen, die er vertritt, verlangen: Alle Asylverfahren müssen in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder laufen. „Da brauchen wir ein schnelleres Verfahren.“ Nur jene Asylbewerber sollten auf Städte und Gemeinden verteilt werden, die eine Bleibeperspektive in Deutschland hätten. „Wenn Städte und Gemeinden nur diese Menschen betreuen müssen, wird das einen richtigen Integrationsschub geben.“

Derzeit werde es zunehmend schwieriger, Flüchtlinge angemessen unterzubringen, sagte Berghegger. Oft müssten Hotels oder Turnhallen umfunktioniert werden. Es setze aber die Akzeptanz der Bevölkerung aufs Spiel, wenn etwa Sportvereine Turnhallen teils über Monate nicht nutzen könnten.

Bayerns Landräte unterstützen das voll. „Die ausschließliche Weiterverteilung von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive ist eine Kernforderung des Bayerischen Landkreistags“, bekräftigt Präsident Thomas Karmasin (CSU). Der Fürstenfeldbrucker Landrat betont gegenüber unserer Zeitung, dass Asylbewerber mit geringen Anerkennungschancen und erst recht abgelehnte Asylbewerber in zentralen staatlichen Aufnahmeeinrichtungen bleiben müssten. Das würde die Unterbringungssituation in den Landkreisen entspannen. „Wirklich lösen lassen sich die Probleme am Ende aber nur durch eine effektivere Steuerung und tatsächliche Begrenzung des nach wie vor viel zu hohen Asylzustroms.“

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