Moskau – Hätte sein Tod womöglich verhindert werden können? Eine Frage, die jetzt noch drängender scheint als ohnehin schon. Denn: Laut Angaben seines Teams hätte der im russischen Straflager ums Leben gekommene Kremlgegner Alexej Nawalny freikommen können – im Austausch gegen den in Deutschland inhaftierten Tiergartenmörder. „Nawalny sollte in den nächsten Tagen freikommen, weil wir eine Entscheidung zu seinem Austausch erreicht hatten“, sagte die politische Direktorin des Nawalny-Fonds für die Bekämpfung der Korruption, Maria Pewtschich, am Montag in einem Video.
Anfang Februar sei Kremlchef Wladimir Putin ein Angebot unterbreitet worden, wonach der im Dezember 2021 in Deutschland verurteilte Tiergartenmörder Wadim K. an Russland übergeben hätte werden können – im Austausch gegen Nawalny und zwei US-Amerikaner.
Wer genau an der Ausarbeitung dieser vermeintlichen Austauschpläne beteiligt gewesen sein soll und wie konkret sie waren, sagte Pewtschich nicht. Von der Bundesregierung gab es zunächst keine Angaben dazu.
Pewtschich warf Putin vor, daraufhin persönlich die Tötung Nawalnys angeordnet zu haben. Er habe Nawalny um keinen Preis freigeben wollen. Er habe erkannt, dass der Westen bereit sei, Wadim K. auszutauschen, und dann entschieden, Nawalny als Tauschobjekt loszuwerden, vermutet Pewtschich. „Das ist das absolut unlogische, irrationale Verhalten eines verrückten Mafiosi“, sagte sie.
Wadim K. hat 2019 in Berlin einen Exil-Tschetschenen ermordet. K. soll den Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen verübt haben. Immer wieder war spekuliert worden, dass Putin ihn im Zuge eines Gefangenenaustauschs freibekommen wollte. Zuletzt hatte er dies in einem Interview mit dem US-Talkmaster Tucker Carlson quasi bestätigt.
Im Fall Nawalny hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nun klar Stellung bezogen. „Auch ich gehe wie alle anderen davon aus, dass es das Regime war, das ihn getötet hat“, sagte Scholz gestern. Russland sei eine Diktatur. „Sein Tod ist jetzt die Konsequenz einer Diktatur.“
Nach dem tagelangen Ringen um Nawalnys Leiche gab der Kreml sich unschuldig und stritt eine versuchte Einflussnahme auf dessen Angehörige ab. „Natürlich kann der Kreml keinen Druck ausüben. Das sind weitere absurde Äußerungen der Anhänger“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja hat am Wochenende den Leichnam ihres Sohnes erhalten, nachdem sie zuvor Putin zu dessen Herausgabe aufgefordert und öffentlich Druck vonseiten der Ermittler beklagt hatte. Diese hätten sie dazu drängen wollen, ihren Sohn heimlich zu beerdigen, sagte sie.
Immer noch ist unklar, wo und wie die Bestattung stattfinden soll. Nawalnaja forderte eine öffentliche Beerdigung, damit sich nicht nur Familienangehörige, sondern auch Anhänger vom russischen Oppositionsführer verabschieden können. dpa