Arbeitspflicht für 80 Cent pro Stunde

von Redaktion

Schärferer Asyl-Kurs: Thüringischer Landrat will bundesweit Vorreiter sein – ist es aber nicht

München – Der neue Landrat hat einen Berg Arbeit vor sich. Die Grundschule Wurzbach muss neu gebaut, die Brücke über die Linkenmühle geplant und die Kreisumlage besprochen werden. Vor Ort sind das wichtige Sachen. Christian Herrgott (CDU) hat nun ein überregionales Riesenprojekt drauf geschaufelt. Er will der erste Landrat sein, der Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet.

Nach erst zwei Wochen im Amt macht der 39-Jährige aus dem ostthüringischen Saale-Orla-Kreis damit bundesweit Schlagzeilen. „Landrat verdonnert Flüchtlinge zur Arbeit“, titelt etwa „Bild“. „Es geht um ein Signal, dass die Menschen, die mit Steuergeld bezahlt werden, etwas an die Gesellschaft zurückgeben müssen und nicht den ganzen Tag auf einer Parkbank sitzen“, sagt Herrgott. Vielleicht trage das viel besser zur Integration bei als manche Kurse.

Es geht um Flüchtlinge in Gemeinschaftseinrichtungen. Sie sollen bis zu vier Stunden am Tag Straßen reinigen, Unterkünfte putzen, Hecken schneiden, weitere Arbeiten bei Vereinen und kommunalen Firmen werden gesucht. Rechtlich geht das überall in Deutschland. Das Asylbewerberleistungsgesetz, Paragraf 5, schreibt dafür 80 Cent pro Stunde als Mindestlohn vor. Das käme auf 64 Euro im Monat. Herrgott will Verweigerern die Leistungen um 180 Euro kürzen. Vorerst wird aber eine freiwillige Lösung angepeilt.

Ein Wahlkampf-Manöver? Herrgott ist im Nebenamt Generalsekretär der thüringischen CDU, dort ist am 1. September Landtagswahl, die AfD führt in Umfragen. Auch in Herrgotts Landkreis ist die Lage sehr gespannt. Er wurde nur hauchdünn mit 52 Prozent in der Stichwahl gegen einen AfD-Kandidaten Landrat. Die erste regionale Opferberatungsstelle meldet sich bereits mit Kritik, so stoße er die Zivilgesellschaft vor den Kopf, die ihn gegen die AfD unterstützt habe. Der Landrat indes verweist auf einen Beschluss des Kreistags aus 2023, also lange vor seiner Wahl. Da hätten rote und grüne Kreisräte mitgestimmt.

Tatsächlich gibt es eine breite Mehrheit für eine Arbeitspflicht erwachsener, gesunder Asylbewerber. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte: „Wo das sinnvoll ist, kann und sollte das genutzt werden.“

In Wahrheit ist Herrgott nicht der Erste. Auch in Bayern wird das längst geprobt. „Wir haben aktuell 84 Asylbewerber verpflichtet, ein Teil davon freiwillig“, sagt der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch. Seit 2015 werde das praktiziert. „Wir sind jetzt dabei, das wieder flächendeckend zu organisieren: Jeder, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt und arbeitsfähig ist, soll sich zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten.“ Bisher bezieht sich das vor allem auf Arbeiten in und um die Unterkunft: Reinigung, Instandhaltung, Gartenpflege.

Walch räumt ein, nicht jede Arbeit sei möglich, es gebe da auch Steuerungsaufwand. Man könne pragmatisch aber viele Aufgaben finden. Auch er betont: „Das führt natürlich zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung.“

Auch Augsburg hat das schon in kleinem Umfang probiert. Die Versuche seien nicht besonders erfolgreich verlaufen, sagte indes Sozialreferent Martin Schenkelberg (CSU) schon im Oktober dem BR. Das Hauptproblem sei der Verwaltungsaufwand. Man müsse Jobs finden, die Kandidaten anlernen. „Und ich kann ja nicht 24 Stunden jemanden danebenstellen, der aufpasst, ob der Platz auch sauber gemacht wird.“

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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