München – Die Bauernproteste haben auch den Nockherberg im Griff – zumindest thematisch. Per Megaphon kündigt sich der in eine gelbe Warnweste gekleidete Fastenprediger Maximilian Schafroth gestern Abend auf dem Weg zur Bühne an. „Der Saal ist umstellt“, schallt seine Warnung durch die Reihen. „Ein Gülledruckfass ist mit der Saal-Sprinkler-Anlage verbunden.“ Wirklich? Nein. Es ist natürlich nur Spaß, wie fast alles hier – auch wenn diese Späße in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon so manchen wichtigen oder auch weniger wichtigen Gästen im Hals stecken geblieben sind wie ein trockenes Stück Breze.
Auch diesmal könnte der Abend noch Diskussionen nach sich ziehen. Denn Schafroth teilt nicht nur mit Härte aus – teilweise so, dass ein Raunen durchs Publikum geht –, sondern auch gerne mal mit dem erhobenen Zeigefinger. Schon am Abend zeigt sich: Manchen ist das zu viel des Guten.
Zunächst zur Härte: Schafroth greift nicht einfach nur die Proteste auf, er legt auch dem dahinter stehenden Bayerischen Bauernverband (BBV) ein paar scheppernde Watschn auf. Ein Familienbetrieb, der glaube, er sei von den „Großagrarier-Lobbyisten“ im BBV gut vertreten, „das ist, als würd‘ ein Hähnchen seine Grundrechte bei der Firma Wiesenhof einfordern“, sagt der 39-Jährige.
Vor allem ein gelernter Landwirt kriegt es auch sonst knüppeldick ab an diesem Abend. Hubert Aiwanger – „der politische Selbstgebrannte: a gewisse Schärfe, aber er führt nicht selten zur Erblindung“. Der Freie-Wähler-Chef gebe sich als „einer von unten“ aus, haue aber trotzdem von oben drauf. „Hubert, diese charakterliche Verrenkung beherrscht auch nur so a wirbellose Existenz wie du.“ Das ist selbst für Nockherberg-Verhältnisse ziemlich kernig.
Und dann natürlich die Sache mit Aiwangers Bruder, der damals das Flugblatt verfasst haben soll, das Jahrzehnte später den bayerischen Landtags-Wahlkampf auf den Kopf stellte. Eine Vorlage, die Schafroth gleich mehrmals aufnimmt – und ihr sogar ein eigenes Lied widmet. Gleich fünf Aiwangers mit Schulranzen und Drehorgel stehen dazu auf der Bühne.
Fast schon wieder ein bisschen anerkennend kommt da die Einschätzung über den Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsidenten daher: Wenn das CSU-Kabinett die Puppenkiste sei, „dann ist der Hubert die Puppe ohne Fäden, vor der alle Angst haben – Hubert Chucky Aiwanger, könnt‘ ma sagen“.
Überhaupt muss Söders vordere Riege für ihre angebliche Unterwürfigkeit einstecken. „Herrmann, Füracker, Holetscheck“ – die wie Ministranten brav die Häupter senken würden, wenn der „Monsignore“ Söder den Raum betritt. „Wie meine Oma kurz vor der Mundkommunion“, fühlt sich Schafroth erinnert. Wer den CSU-Stall kenne, wisse aber, wie gerade der „Aktionismus“ von Fraktionschef Holetschek zu werten sei – nämlich als „verwirrte Luftsprünge eines Milchkalbs das weiß: Wenn es zu viel Muskeln ansetzt, kommt der Shuttlebus zum Vinzenzmurr“.
Auch Söder selbst wird von Schafroth natürlich aufs Korn genommen. „Du hast den Grünen das Bayern-Gen abgesprochen. Markus, das ist mutig für einen Franken“, findet der Allgäuer. Vor allem weil es nicht mal drei Jahre her sei, „da hat die CDU dir das Deutschland-Gen abgesprochen“.
Im vergangenen Jahr war Schafroths Rede zum Aufreger geraten. Zu viel Kritik an der Staatsregierung, zu wenig an den Grünen und der SPD hatten ihm im Nachgang einige vorgeworfen. Andere wiederum feierten gerade den moralischen und beinahe ernsthaften Ton, den der Kabarettist anschlug, als es um Redefreiheit und Fremdenfeindlichkeit ging. Beinahe mehr als der Inhalt war 2023 allerdings Thema, was Schafroth zwischen seinen Worten tat. Er kicherte nämlich oft und recht ausgiebig – was nicht wenige Zuschauer unpassend oder gar störend fanden. Auch Schafroth selbst gestand im Nachgang ein: „Etwas weniger Lachen hätt’s auch getan.“
Der Kabarettist lacht am Mittwoch trotzdem wieder – wenn auch bei Weitem nicht so oft und schrill. Die Grünen kommen allerdings auch diesmal vergleichsweise eher glimpflich davon. Einstecken muss – neben dem abwesenden Vizekanzler Robert Habeck – vor allem die bayerische Fraktionschefin Katharina Schulze. Gemeinsam mit ihrem Landtags-Kollegen Ludwig Hartmann bezeichnet Schafroth sie als „Peter Pan und Glöckchen – voller Ideale, aber am Ende doch stark überfordert mit der Realität“. Auch auf Schulzes ausgeprägte Kommunikationsfreude spielt Schafroth an. Am Land punkte man mit Zuhören. Extra-Hinweis an die „Katha“: „Zuhören ist das Gegenteil von reden.“
Die bayerische SPD hingegen kanzelt Schafroth beinahe schon mitleidig ab. Es sei „bezeichnend, dass ich als jemand, der euch kritisieren soll, euch auf die Schulter klopft und sagt: Des wird scho* wieder“. Und so gar nicht lustig gemeint, klingt Schafroths Ansage an die AfD: „Ihr sitzt nicht hier, weil hier keine Menschen sitzen, die Rechtsextreme in ihren Reihen dulden.“
Wie im vergangenen Jahr wird es – Stichwort Zeigefinger – zwischendrin und besonders am Ende auch immer wieder recht grundsätzlich und moralisch. Schafroth ruft auf zum verbalen „Abrüsten statt Aufrüsten“. Zum „zuhören, auch wenn‘s weh tut, dem Gegner den Verstand nicht absprechen, ein politisches Problem in Gottes Namen von mehreren Seiten beleuchten“. Und wer eine Meinung äußert, müsse Gegenwind aushalten. „Das gehört auch zu meinem Beruf.“