Ruanda-Plan für die Asylpolitik

von Redaktion

Eine politisch hochbrisante Reise, öffentlich bisher unbemerkt: Alexander Dobrindt, Chef der CSU im Bundestag, hat in Ruanda mit der Regierung über einen Asyl-Pakt gesprochen. Zunächst mit ein paar hundert, später mehreren tausend Plätzen sollen dort Camps Flüchtlinge aufnehmen, nach unseren Standards sollen dort Asylverfahren ablaufen. Das werde nicht alle Ankünfte in Europa verhindern, keinen Grenzschutz ersetzen – aber sei ein entscheidendes Signal, sagt Dobrindt (53). Wir haben ihn in München getroffen.

Sie waren vier Tage in Ruanda, Gespräche zur Asylpolitik. Wie kommen Sie zurück – bestärkt oder schockiert?

Überzeugt. Ruanda ist ein Land, mit dem wir eine Drittstaaten-Lösung erreichen können. Ich habe dazu Gespräche mit der Regierung geführt und ein UN-Flüchtlingslager nahe der Hauptstadt Kigali besucht. In Ruanda könnten Asylverfahren nach unseren Standards ablaufen, Menschen werden vor Ort angemessen untergebracht und versorgt. Organisatorisch, politisch und gesellschaftlich ist Ruanda zu einem Drittstaaten-Abkommen in der Lage und die Regierung dort will mit uns ein solches Abkommen schließen.

Dort sollen auch die Asylverfahren laufen?

Ja, das ist die Idee. Sowohl Menschen, die auf ihrer Flucht in Nordafrika stranden, könnten nach Ruanda gebracht werden, statt unter Lebensgefahr von Schleusern aufs Mittelmeer gelockt zu werden. Als auch Menschen, die hier ankommen, können zur Bearbeitung ihres Asylverfahrens in ein Drittland wie Ruanda gebracht werden. Das Ziel muss sein, Asylverfahren und Schutz in Drittstaaten außerhalb der EU durchzuführen. „Schutz durch Europa“ muss nicht „Schutz in Europa“ heißen. England und Dänemark bereiten das mit Ruanda vor, Italien geht diesen Weg mit Albanien. Bisher ist die Ampel-Regierung ideologisch nicht dazu bereit.

Kritiker sagen: Sie wollen Asylbewerber damit einfach abschrecken. Sie kaufen sich ein Regime als Schleusenwärter.

Das Ziel ist es, Schutz außerhalb der EU zu gewähren. Und natürlich müssen wir die Logik der kriminellen Schleuser durchbrechen, die gegen eine Bezahlung von 10 000 Euro einen Zugang in das deutsche Sozialsystem versprechen. Kaum jemand wird noch bereit sein, so viel Geld zu bezahlen, wenn er weiß, dass seine Unterbringung dann in einem Drittstaat außerhalb Europas stattfinden wird. Und wenn das Menschen davon abhält, die lebensgefährlichen Überfahrten über das Mittelmeer zu versuchen, hat das einen weiteren humanitären Aspekt.

In Deutschland läuft die Debatte über eine Arbeitspflicht für Asylbewerber. Rechtlich geht das längt. Raten Sie den Landräten, das endlich umzusetzen?

Alle Prognosen sagen: 2024 werden die Höchststände bei den Asylzahlen aus dem vergangenen Jahr noch übertroffen. Wir brauchen jetzt klare Entscheidungen: Geflüchtete sollten gemeinnützig oder regulär arbeiten. Wer bei uns Schutz sucht, der muss bereit sein, seinen Beitrag zu leisten. Das gilt auch für Flüchtlinge aus der Ukraine. Hier verhindert das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme. Das Prinzip sollte aber zwei Jahre nach Putins Kriegsbeginn heißen: jedem arbeitsfähigen Ukrainer ein Arbeitsangebot machen – wer das ablehnt, muss in sichere Gebiete der Westukraine zurückkehren.

Streit ums Wachstums-chancengesetz der Ampel tobt. Wie lange blockiert die Union das noch?

Wir blockieren nicht. Zur Erinnerung: Alle 16 Bundesländer haben das Gesetz in den Vermittlungsausschuss geschoben, weil es schlecht gemacht ist. Und jetzt versucht die Ampel, 1,4 Milliarden Euro Entlastung der Wirtschaft mit 500 Millionen Euro Belastung bei der Landwirtschaft rezufinanzieren. Das wollen wir nicht akzeptieren. Deswegen haben wir der Ampel Vorschläge unterbreitet, die Wirtschaft inklusive der Landwirtschaft zu entlasten. Das haben die Ampel-Parteien im Vermittlungsausschuss blockiert. Obwohl auch SPD-Ministerpräsidenten wie Herr Weil und Frau Schwesig das ständig fordern. Beide waren übrigens im Vermittlungsausschuss anwesend, aber zu einem Kompromiss nicht bereit.

Verheben Sie sich nicht als Union, wenn Sie gegen den erklärten Willen der Wirtschaft und vieler Wähler eine Alles-oder-nichts-Politik verfolgen?

Das tun wir ausdrücklich nicht. Das Wachstumschancengesetz ist ein Scheinriese. Es wird die deutsche Wachstumsschwäche in keinster Weise beheben. Deutschland braucht einen echten Comeback-Plan mit Reformen in der Dimension der Agenda 2010, mit Entlastungen des Mittelstands, wettbewerbsfähigen Energiepreisen und der Stärkung des Grundsatzes „Arbeit muss sich lohnen“. Dazu hat die Ampel nach meiner Einschätzung nicht die Kraft. Sie erschöpft sich im Streit zwischen Habeck und Lindner.

Lindner fordert immerhin eine „Wirtschaftswende“ – eine Sollbruchstelle für die Bundesregierung?

Das Ampel-Experiment ist gescheitert. Der Schaden ist da. Die Frage ist nur: Wie hoch wird er noch? Diese Bundesregierung ist der Grund für massiven Wohlstandsverlust in Deutschland. Es müsste in der Ampel erst einmal eine Wende hin zu Vernunft statt Ideologie geben. Aber daran habe ich nun wirklich kein Zutrauen mehr.

Interview: Georg Anastasiadis, Christian Deutschländer

Artikel 1 von 11