Ruanda: Drittstaaten-Deals und ihre Tücken

von Redaktion

HINTERGRUND Warum mehrere Länder mit den Abkommen hadern – Hohe Kosten für Briten

München – Ein Asylpakt mit Ruanda – die Idee ist international umstritten. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zeigte sich nach seiner Reise in das ostafrikanische Land aber überzeugt, dass so ein Abkommen funktionieren kann. „Schutz durch Europa muss nicht Schutz in Europa heißen“, sagte er unserer Zeitung. Tatsächlich steht er damit nicht alleine da.

Europäische Staaten wie Dänemark und Großbritannien arbeiten seit Längerem an dem Plan, mit Ruanda ein Drittstaatenabkommen abzuschließen. Das soll irregulärer Migration vorbeugen und letztendlich Asylbewerber abhalten, nach Europa zu kommen.

Drittstaatenabkommen ermöglichen es, Asylbewerber für die Bearbeitungszeit ihres Antrags in einem anderen Land unterzubringen. Haben sie Erfolg, dürfen sie bleiben – wird der Antrag abgelehnt, droht die Abschiebung ins Herkunftsland. Die Idee ist umstritten: Sowohl die EU als auch verschiedene UN-Institutionen kritisieren, das Konzept verstoße gegen die Menschenrechte. Die EU hat auch die Vereinbarkeit mit europäischem Recht infrage gestellt und entsprechende Schritte angekündigt.

Bisher ist die Idee bloße Theorie, die Umsetzung gestaltet sich schleppend: Im dänischen Parlament zum Beispiel wurde schon 2021 eine Regelung beschlossen, die die Einrichtung von Asylzentren in anderen Ländern ermöglicht. Verhandlungen mit Ruanda liefen, wurden Anfang 2023 aber auf Eis gelegt. Die Gründe blieben unklar. Stattdessen kündigte Dänemark an, sich für eine europäische Lösung einsetzen zu wollen.

In Großbritannien wird der geplante Asylpakt mit Ruanda seit einiger Zeit wieder heiß diskutiert. Die Umsetzbarkeit ist aber unklar – auch, weil Ruanda dort, wie in Deutschland, nicht als sicherer Drittstaat eingestuft ist. Premierminister Rishi Sunak will das mit aller Kraft ändern, stößt aber im Oberhaus auf Widerstand. Grundsätzlich gibt es Bedenken wegen der üppigen Kosten: Der Asylpakt soll die britischen Steuerzahler laut Rechnungshof rund eine halbe Milliarde Pfund kosten, also 584 Millionen Euro – deutlich mehr als bisher geplant.

In Deutschland gilt Ruanda zwar als Entwicklungspartner – doch die politische Stabilität, die man in Berlin schätzt, ist teuer erkauft. Unter der autoritären Führung von Langzeit-Präsident Paul Kagame sind verschiedene Menschenrechte stark eingeschränkt, die Opposition wird konsequent unterdrückt. Zudem unterstützt Ruanda Berichten zufolge Rebellen im benachbarten Kongo und zwingt damit selbst Menschen zur Flucht in die Grenzregion.

Mehrere CDU-Politiker hatten das Ruanda-Modell bereits Ende 2023 vorgeschlagen. Auch Ghana oder osteuropäische Nicht-EU-Länder wurden ins Spiel gebracht. Der Ampel-Koalitionsvertrag notiert indes bloß, ein Drittstaaten-Abkommen solle „in Ausnahmefällen“ geprüft werden. LEONIE DE WEERTH

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