München – Von außen betrachtet sitzt Giorgia Meloni fest im Sattel. Die Premierministerin hat sich als Verhandlungspartnerin einen zuverlässigen Ruf erarbeitet. Sie steht wie die wichtigsten EU-Partner treu an der Seite der Ukraine, lässt auch an der Westbindung Italiens keine Zweifel aufkommen. Vergangene Woche war Meloni bei US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus zu Besuch, die beiden verstanden sich.
Nun droht der Rechtsaußenpolitikerin aber politisches Ungemach in Italien, bei den anstehenden Regionalwahlen in den Abruzzen sowie in der eigenen Rechts-Koalition. Dort stemmt sich der Chef der rechtsnationalen Lega, Transportminister Matteo Salvini, gegen den eigenen politischen Bedeutungsverlust und könnte Meloni mit in die Misere ziehen. Die 47-Jährige, seit 16 Monaten im Amt, wäre bei einem Koalitionsbruch nur der nächste Shooting-Star in der besonders schnelllebigen italienischen Politik gewesen.
Am Sonntag wird in der mittelitalienischen Bergregion Abruzzen gewählt, ein wichtiger Stimmungstest. Melonis einstiger Förderer bei den Postfaschisten war Marco Marsilio, der heutige Regionalpräsident, der zur Wiederwahl steht. Als erster Politiker der erst 2012 gegründeten Partei Fratelli d’Italia wurde Marsilio 2019 Präsident einer Region. Die Abruzzen gelten deshalb als Meloni-Hochburg. Eine Niederlage ist angesichts der vereinten Konkurrenz jedoch nicht ausgeschlossen. Linksdemokraten, Fünf-Sterne-Bewegung und zwei kleinere Zentrumsparteien haben sich gegen Marsilio zusammengeschlossen und könnten Meloni zwei Wochen nach der Regionalwahl auf Sardinien erneut eine Niederlage beibringen. „In den Abruzzen zu verlieren wäre für Meloni noch schlimmer als die Niederlage auf Sardinien“, schreibt „La Repubblica“.
Auf der Ferieninsel Sardinien hatte sich Meloni in den Kopf gesetzt, einen Kandidaten aus der eigenen Partei ins Rennen zu schicken. Damit sollten die nationalen Kräfteverhältnisse gespiegelt werden, ihre Fratelli d’Italia liegen stabil bei rund 28 Prozent der Stimmen. Dafür bootete die Ministerpräsidentin den bisherigen Amtsinhaber des Koalitionspartners Lega aus, die in Umfragen national nur noch auf acht Prozent kommt. Der Meloni-Mann Paolo Truzzu verlor dann aber gegen die geschlossen auftretende Linkskoalition.
Damit hat Meloni nun ein koalitionsinternes Problem vergrößert: ihren Umgang mit Lega-Chef Matteo Salvini. Der 50-Jährige leidet an politischem Phantomschmerz, er hat seinen Machtverlust nicht verkraftet. Bei der EU-Wahl 2019 war Salvinis Lega auf 34 Prozent gekommen, in der Folge ließ Salvini die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung platzen, um „die ganze Macht“ zu bekommen und selbst Regierungschef zu werden. Doch sein Kalkül ging nicht auf.
Auch jetzt stellt sich Salvini händeringend gegen den Bedeutungsverlust. Jede extremistische Position, mit der sich der Lega-Chef von der mächtigen Koalitionspartnerin Meloni distanzieren kann, scheint ihm dazu willkommen. „Avanti Donald Trump!“, jubelte Salvini, während Meloni noch Distanz zum US-Tycoon hält. Nach dem Tod von Alexej Nawalny distanzierte sich Salvini nicht vom Regime von Wladimir Putin. Seine Lega wurde seit 2017 von Putin mitfinanziert.
Salvini versucht Meloni auch in anderen Fragen rechts zu überholen. In der eigenen Partei ist Salvini nicht mehr unumstritten, alte Parteigänger im norditalienischen Lega-Stammland begehren auf. Das erhöht den Druck. Auch Giorgia Meloni bekommt ihn zu spüren. JULIUS MÜLLER-MEININGEN