Bayern nimmt Abschied von Alois Glück

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Mit Wohlgefallen hätte Alois Glück diesen sonnigen Vorfrühlings-Samstag betrachtet, an dem der Freistaat Abschied von ihm nehmen musste. Politik, Kirche und Gesellschaft haben sich mit einem bewegenden Requiem und Staatsakt vor einem Politiker verbeugt, der über alle Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg die Herzen der Menschen erreicht hat. Der CSU-Politiker – langjähriger Fraktionsvorsitzender, ehemaliger Landtagspräsident und selbstbewusster Katholik – war am 26. Februar im Alter von 84 Jahren verstorben.

Überlebensgroß stand das Porträt des zu Lebzeiten körperlich kleinen Mannes neben seinem Sarg vor den Altarstufen des Doms. Alois Glück schaute die Trauergäste mit eindringlichem Blick an, seinen Mund umspielte das bekannte, leise Lächeln – das Requiem war vom Anfang bis zum Auszug aus dem Dom auf ihn zugeschnitten. Bayern hat in bester Manier einem seiner prägendsten Politiker die letzte Ehre erwiesen.

Von Mozarts Requiem über die berührende Predigt von Kardinal Reinhard Marx und die Nachrufe von Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Ministerpräsident Markus Söder, CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek und der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, bis zum strahlenden Wetter: Alles fügte sich zu einer wehmütigen und dankbaren Würdigung eines Ausnahmepolitikers.

„Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“, hieß es im Evangelium – die Bergpredigt hatte der Kardinal eigens zum Requiem für seinen Weggefährten ausgesucht. Als oberster Vertreter der Laien hatte Glück von 2009 bis 2015 mit Marx für Reformen in der Kirche gekämpft. Glück habe die Bergpredigt gelebt, sagte Marx. Die Bergpredigt gebe einen Horizont vor, „der uns beunruhigt, aber auch stärkt, der uns Rückenwind gibt, der uns sagt: Selig sind die Friedensstifter, nicht die Kriegstreiber, nicht die, die hassen, die Gräben vertiefen, Polarisierung vorantreiben, sondern die Brücken bauen, die Versöhnung möglichen machen im Kleinen wie im Großen. Das ist katholische Soziallehre in reinster Form.“ Eine Politik von den Armen her – das sei Glücks Standpunkt gewesen. Ohne die Kirchen werde es diese Prägung nicht geben, habe der CSU-Politiker gewusst. Der Kardinal verschwieg nicht, dass Glück innerkirchlich einiges aushalten musste – „auch von einigen Oberhirten“ – ohne den Streit um die Schwangerschaftskonfliktberatung und den Missbrauchsskandal zu erwähnen. Glück habe einen manchmal „lieblosen Ton“ innerhalb der Kirche kritisiert: „Er hat darunter gelitten, aber er hat sich nicht beirren lassen. Das hat mich zutiefst beeindruckt.“ Als zum Schluss des Requiems Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur erklang, hatten Theo Waigel, Annette Schavan und andere Trauergäste – darunter Alt-Bundespräsident Horst Köhler, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert, Herzog Franz von Bayern, der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber – Tränen in den Augen.

Dem Vordenker, Friedensstifter, „wirklich guten Freund und Ratgeber“ Alois Glück dankte Landtagspräsidentin Ilse Aigner in ihrem Nachruf. Er habe der Demokratie die Richtung gewiesen: „Durch das, was du getan hast. Aber vor allem durch die Art, wie du es getan hast. dein Wirken als Vordenker und Friedensstifter ist ein Vermächtnis.“

Zwischen Glück und Markus Söder war es nicht „Liebe auf den ersten Blick“, wie der Ministerpräsident bekannte. „Ich war zu forsch, zu schnell.“ Rückblickend gestand er: „Ich hätte schon früher auf ihn hören sollen, das hätte mir manches an Ärger erspart.“ Alois Glück sei ein eigenes Kraftzentrum in der CSU gewesen, mit seiner Autorität habe er nach dem Tod von Franz Josef Strauß die Fraktion zusammengehalten. „Er war einer der ganz Großen, einer der bedeutendsten Bayern der Nachkriegsgeschichte.“ ZdK-Präsidentin Stetter-Karp würdigte die Leistung des Verstorbenen für das oberste kirchliche Laiengremium: „Zum Glück hatten wir Glück.“ Seine Stimme sei Ansporn, nicht nachzulassen im Einsatz für ein zukunftsfähiges Christsein.

Hinter dem Sarg zogen der Kardinal und die über 1000-köpfige Trauergemeinde ins Freie. Dort hatten sich Bürger versammelt, um sich von Alois Glück zu verabschieden. In einem weißen Leichenwagen wurde der Sarg weggefahren, während die Trauergäste im Kaisersaal der Residenz zusammenkamen: Die Bergwachtler, deren Vorsitzender Glück gewesen war, die Gebirgsschützen, die Vertreter des Roten Kreuzes, Mitglieder des Diözesanrats der Katholiken und des ZdK waren ebenso da wie Repräsentanten des Bauernverbands, alte CSU-Weggefährten und aktuelle Ministerinnen und Minister, Politiker von Freien Wählern, SPD und Grünen. Alle miteinander im Gespräch – wie ein Abbild der aktiven Bürgergesellschaft, die sich Alois Glück immer gewünscht hatte. Noch über seinen Tod hinaus hat er die Menschen zusammengeführt.

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