Biden: „Netanjahu schadet Israel“

von Redaktion

München – Angesichts der verzweifelten Lage der Menschen im Gazastreifen hat US-Präsident Joe Biden Israels Vorgehen offen kritisiert. „Meiner Meinung nach schadet er Israel mehr, als dass er dem Land hilft“, sagte Biden mit Blick auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Im US-Fernsehsender MSNBC sagte Biden, Netanjahu habe „ein Recht, Israel zu verteidigen, ein Recht, die Hamas weiter zu verfolgen“. Er müsse aber „den unschuldigen Menschen, die als Folge der ergriffenen Maßnahmen ums Leben kommen, mehr Aufmerksamkeit schenken“. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass weitere 30 000 Palästinenser sterben, mahnte Biden. Er sagte aber auch, er werde Israel niemals im Stich lassen. Die Verteidigung des Landes bleibe sehr wichtig.

Netanjahu wies die Vorwürfe in einem Interview am Sonntag zurück: „Wenn der US-Präsident damit meint, dass ich eine Privatpolitik gegen den Wunsch der Mehrheit der Israelis verfolge und das Israels Interessen schadet, dann liegt er in beiden Punkten falsch.“

In Israel gingen jedoch erneut zahlreiche Menschen bei Protesten gegen die Regierung Netanjahu auf die Straße. An ihrer Seite waren in Tel Aviv Familienangehörige von seit Monaten im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln. Nahe dem Sitz des Verteidigungsministeriums hielt die Polizei Demonstranten davon ab, eine Stadtautobahn zu blockieren, berichteten israelische Medien. Die Behörde nahm 16 Personen fest. In Caesarea zog eine große Menschenmenge vor eine private Villa Netanjahus.

Derweil sanken am Sonntag die Chancen auf die erhoffte Feuerpause noch vor dem Ramadan weiter. Im muslimischen Fastenmonat droht womöglich eine nochmalige Eskalation. Im Gazastreifen ging die israelische Armee weiter militärisch vor. Nach von unabhängiger Seite nicht überprüfbaren Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Behörden starben infolge von mehr als 60 Angriffen am Sonntag insgesamt mindestens 85 Palästinenser. Die israelische Armee meldete ihrerseits 30 getötete palästinensische Kämpfer.

Zeitgleich liefen die Vorbereitungen für Hilfstransporte für die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen auf dem Seeweg. Das Schiff „Open Arms“ der gleichnamigen spanischen Hilfsorganisation lag am Sonntag mit Hilfsgütern fertig beladen im Hafen des zyprischen Larnaka, um in See zu stechen. Das Auslaufen verzögerte sich am Sonntag wegen technischer Probleme.

Das Schiff sei mit 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamenten und Lebensmitteln beladen, sagte ein Sprecher der zyprischen Regierung. Es handele sich um eine Probefahrt entlang der Route eines geplanten Hilfskorridors, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsidenten Nikos Christodoulidis am Freitag angekündigt hatten.

Wo genau das Schiff anlanden und wie die Hilfe zu den Menschen gelangen soll, war zunächst unklar. Das Anliefern der Güter gilt als große Herausforderung, weil es im Gazastreifen nur einen kleinen Fischerhafen gibt, der nicht tief genug für Frachtschiffe ist. Das US-Militär will deshalb einen temporären Hafen einrichten, dessen Bau aber zwei Monate dauern wird.

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