München/Berlin – Irgendwann wird es persönlich. Das Wort hat der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, es geht um britische und französische Marschflugkörper und die Frage, ob die nationalen Regierungen durch deren Lieferung an die Ukraine zu Kriegsbeteiligten geworden sind. Olaf Scholz verneint, aber dabei belässt er es nicht. Er wechselt ins Du und spricht den „lieben Norbert“ an, der mit Halbwahrheiten jongliere und die Öffentlichkeit damit beeinflusse. „Das sollte in der Demokratie nicht der Fall sein.“
Was genau die Halbwahrheit ist, wird nicht so ganz klar. Das passt zu dem gesamten Termin. Die erste Regierungsbefragung in diesem Jahr, der sich der Kanzler stellt, bringt lebhafte Debatten und einige kleine Tumulte. Aber erwartungsgemäß keine neuen Erkenntnisse, schon gar nicht zu Scholz’ Veto gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine.
Sein Standpunkt ist ja klar, Scholz wiederholt ihn mehrfach. Weil der Taurus eine weit reichende Waffe ist, die auch Ziele auf russischem Territorium erreichen würde, will er die Kontrolle nicht den Ukrainern überlassen. Gleichzeitig lehnt er eine Beteiligung deutscher Soldaten ab, auch außerhalb der Ukraine. „Das ist eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will.“ Das sei eine grundvernünftige Abwägung, die er sich nicht vorwerfen lassen müsse: „Besonnenheit ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizieren kann, wie einige das tun, sondern Besonnenheit ist das, worauf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch haben“
Das ist die Konfliktlinie zwischen ihm und der Union, sie bleibt es auch nach diesem Termin. Es gehe schließlich immer darum, „wohin gezielt, geschossen und getroffen wird“, erinnert Scholz, „das sollte nicht mit deutschen Soldaten passieren“. Als ihm Unionsfraktionsvize Johann Wadephul vorwirft, er habe mit seinen Aussagen zu britischen und französischen Raketen „Verwirrung in Deutschland und Europa“ gestiftet und spreche ukrainischen Soldaten beim Thema Taurus das Misstrauen aus, sorgt Scholz’ Antwort für ein Raunen. „Die Bürger haben Angst vor Ihnen“, entgegnet er Wadephul. Die Unionskritik, soll das heißen, bringe – Stichwort Halbwahrheit – eine Politik in Misskredit, die in Umfragen von einer Mehrheit befürwortet wird. Er garantiere mit seiner Zurückhaltung die Sicherheit des Landes, kontert Scholz. „Darauf habe ich einen Eid geleistet.“
Das klingt alles nicht neu, aber auch nicht nach einem „ängstlichen, verzagten Mann“, dessen Angstschweiß man bis nach Moskau riechen könne, wie ihn der CDU-Politiker Jens Spahn Stunden vor der Befragung in einem Interview verspottet. Der Druck auf Scholz wird nach dieser Fragestunde dennoch nicht nachlassen. Auch nicht aus den eigenen Reihen, wo zuletzt die Idee eines Taurus-Ringtauschs mit Großbritannien lanciert wurde, notfalls mit der Option, die Kontrolle nicht durch die Bundeswehr, sondern durch britische Soldaten ausüben zu lassen. Auf verschlungenen Wegen, so der Unterton, ließe sich die Lieferung vielleicht ja noch realisieren.
Abgeräumt ist das Thema nicht. Schon heute wird es wieder hochkochen, wenn die Union ihren Antrag zur Abstimmung vorlegt, die Ukraine eben doch mit Taurus zu beliefern. Scholz wird sich dann auf Unterstützung von ganz rechts verlassen können, ob er will oder nicht. Der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen kündigt an, man unterstütze ihn „ausdrücklich“. Der Kanzler antwortet höflich, aber unmissverständlich: „Auf diese Unterstützung verzichte ich, wenn ich das bemerken darf.“