Gewalt in Haiti eskaliert: Regierungschef tritt zurück

von Redaktion

Banden kontrollieren den Karibikstaat und drängen Präsident Henry aus dem Amt – Keine Wahlen seit 2016

Kingston – Seit dem Mord an Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 ist die Sicherheitslage in Haiti immer schlechter geworden. Wegen der dort eskalierenden Bandengewalt ist jetzt Regierungschef Ariel Henry zurückgetreten. „Die Regierung, die ich führe, kann von dieser Situation nicht unberührt bleiben“, sagte Henry Dienstagnacht in einer Videobotschaft.

Nun soll ein siebenköpfiger Präsidialrat gegründet werden, der den Übergang hin zu Wahlen anleitet und einen neuen Interims-Premierminister bestimmt, wie Guyanas Präsident Mohamed Irfaan Ali mitteilte. Es gebe eine Vereinbarung für eine „friedliche Machtübergabe“, sagte Ali. Ziel seien „freie und faire Wahlen“.

Inzwischen kontrollieren die Gangs weite Teile des Landes, die Zahl der Morde hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Ende Februar eskalierte die Gewalt in Haiti vollends während einer Auslandsreise Henrys in Kenia. Bewaffnete Banden attackierten Polizeistationen und befreiten 4500 Häftlinge aus Gefängnissen und griffen sogar den Präsidentenpalast an.

Sie forderten den Rücktritt des seit 2021 regierenden Henry, der eigentlich Anfang Februar aus dem Amt des Ministerpräsidenten hätte scheiden sollen. Henry hatte sich stattdessen Ende Februar mit der Opposition darauf verständigt, bis zur Abhaltung von Neuwahlen gemeinsam zu regieren. In Haiti hat es seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben.

Der arme Karibikstaat, der nicht einmal so groß wie Brandenburg ist und rund elf Millionen Einwohner hat, hat derzeit keine gewählten nationalen Amtsträger – weder einen Präsidenten noch ein Parlament.

Laut US-Außenministerium könne Henry im US-Außengebiet Puerto Rico bleiben, wo er sich derzeit aufhält. Bei einem Krisentreffen der Karibischen Gemeinschaft in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston sagte US-Außenministert Antony Blinken Unterstützung für Haiti in Höhe von 133 Millionen Dollar (rund 122 Millionen Euro) zu. Davon seien 100 Millionen Dollar für eine internationale Sicherheitsmission und der Rest für humanitäre Hilfen vorgesehen. Die eskalierende Bandengewalt schaffe in Haiti eine „unhaltbare Situation“, sagte Blinken. „Wir alle wissen, dass dringendes Handeln sowohl auf politischer Ebene als auch auf der Sicherheitsebene notwendig ist.“ Der US-Außenminister betonte zugleich: „Nur die Bevölkerung Haitis kann über ihre Zukunft entscheiden – niemand anderes.“

Zwischen 1915 und 1934 hatten die USA Haiti besetzt. Seither investieren sie immer wieder in den Inselstaat. Eine Beteiligung des US-Militärs an einer Mission schließt US-Präsident Joe Biden bislang allerdings aus.

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